Mit frei schwebenden Flageolett-Tönen in den Streichern und einer einsam darüber fliegenden Flöten-Melodie erschuf das Orchester die Fantasiewelt des Computerspiels Clash of Clans. Die Idylle wurde bald durch einmarschierendes Schlagwerk und triumphierende Posaunen und Trompeten unterbrochen. Jetzt rief die Musik Bilder von Kampf und Krieg hervor. Zum Schluss des Medleys wurde die Musik wieder leichter und luftiger, die Instrumentalisten raschelten leise mit ihren Notenpapieren, Bilder von Freiheit und Leichtigkeit tauchten vor dem inneren Auge auf.
Insgesamt spielten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster an diesem Abend sieben Orchester-Arrangements von Computerspiel-Themen und ein Stück aus dem klassischen Repertoire – Finlandia von Jean Sibelius. Zwischen den Stücken trat die Moderatorin Sofia Kats auf die Bühne und leitete zum genauen Hinhören an. Sie spannte eine Brücke von den Klassik-Hörern zu den Computerspiel-Fans, indem sie erstere mit den Gegebenheiten beim Komponieren von Video Game Music vertraut machte und den Computerspielern nahebrachte, dass diese Musik nicht vom Himmel gefallen war, sondern dass es Vorbilder, wie zum Beispiel die Finlandia von Jean Sibelius gab.
Während beim Auftakt noch die allgemeine Konzentration im Orchester und im Publikum fehlte, so steigerte sich die Aufmerksamkeit während des Konzertes so sehr, dass eine Stille im Concerto for Piano and Orchestra zu den Themen von Final Fantasy ein spannungsgeladenes Luftanhalten erzeugte. Die Musik zu dem Computerspiel Final Fantasy, erdacht von Nobuo Uematsu, setzte Ende der 1980er Jahre einen Meilenstein in der Entwicklung der Video Game Music. Zum erfolgreichen Gelingen dieses Werkes trug maßgeblich die Pianistin Tatiana Prushinskaya bei, die die tiefsten Schmerzen und Sehnsüchte der Musik mitfühlend ausspielte. In ihrem rot schimmernden Paillettenkleid verwandelte sie auch den Konzertsaal in eine Zauberwelt.
Das Concerto begann grollend aus der Tiefe und wurde von dramatischen Einschüben und Glockenschlägen markiert. Dann klarte die Beklemmung auf und wich leichten und fröhlichen Melodien. Die Situation intensivierte sich wieder, es wurde lauter und schneller, sodass man das Gefühl hatte, sich auf einem Jahrmarkt zu befinden. Es steigerte sich bis zu einem bombastischen Höhepunkt, nach dem alles zerfiel und einsame Glockenschläge übrigblieben. Aus dieser Stille heraus spielte die Pianistin ganz alleine eine sehnsuchtsvolle Melodie. Die Querflöte stieg in ein Duett ein und die beiden umschmeichelten sich. Das animierte das Cello, ebenfalls an dieser Musik mit zu weben und es entspann sich ein wunderschönes Trio. Die Fäden verflogen und wieder entstand eine spannungsgeladene Stille, die Orchester sowie Publikum genussvoll aushalten konnten. Das Orchester setzte leise wieder ein und auch die Solo-Geige konnte nun von ihrer Sehnsucht singen. Dann gab es einen Cut und einen neuen Anfang mit schnellen Streicheraufgängen, bei dem der Adrenalin-Spiegel stieg. Mit Eintritt des Pianos wurde die ganze Sache jazzig und spaßig.
Themen von Final Fantasy wurden auch zum Schluss noch einmal gespielt, wonach es Standing Ovations und eine Zugabe gab. Außer den schon genannten, wurden noch Themen der Spiele Katakis, Blue Dragon, Angry Birds und Secret of Mana zum Besten gegeben.
Als Zuhörerin ohne Vorbildung in Video Games, kann ich mir nur vorstellen, wie es sich anfühlt, in einem Konzert die Melodien zu hören, mit denen man sich sonst nur in seinem stillen Kämmerlein beschäftigt. Diese Melodien sind für Gamer mit starken Gefühlen wie Wut, Verzweiflung, Sehnsucht, Erleichterung und Glück besetzt. In einem Video Game Music Konzert werden also alle diese Gefühle wieder aktiviert und durchlebt. Toll, wenn ein Konzert-Besuch den Zuhörern so eine Gefühls-Achterbahnfahrt bescheren kann. Denn dafür soll ein Philharmonie Orchester da sein: Es soll die Fragen und Leidenschaften der heutigen Menschen ansprechen und ihnen weiterführenden Erfahrungen ermöglichen. Das für mich vorherrschende Gefühl in den Melodien und Themen der Video Game Music war die Sehnsucht. Die Frage bleibt – wonach sehnt sich die Generation Video Games?
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© Anneliese Schürer