Sich vor dem Notenpult abrackern, in die Limousine springen und ab auf die Bühne. Das ist sowas von 1950. Um heute ein Star zu werden, reicht es nicht mehr, nur zu musizieren. Joseph Moog ist ein unaufgeregter Realist. Auf seine Pianistenstirn drückt er sich selbst den Stempel „Produkt“, das er dann auch noch selbst verticken muss.
terzwerk: Wann machst du dein erstes Sabbatjahr?
Moog: (lacht) Ich hoffe, dass das noch dauert.
terzwerk: Immer mehr Künstler nehmen sich ja eine Auszeit. Plant man die schon als junger Künstler ein?
Moog: Wenn ich in fünf oder zehn Jahren das Gefühl habe, dass ich am Limit bin, dann werde ich pausieren. Ich denke, dass ich eine solche Übersättigung oder Tiefenerschöpfung rechtzeitig spüren würde. Ich versuche, mir diesen Druck aber nicht zu machen.
terzwerk: Hast du Angst davor?
Moog: Angst habe ich eigentlich nicht mehr, weil ich sehr froh bin, dass ich so viel Erfüllung in der Sache finde. Ich vergesse nicht, dass ich hier Werke spiele, die quasi geliehen sind und dass ich das auch genießen soll. Natürlich ist es sehr anstrengend. Die Reisen in der heutigen Zeit schlauchen schon sehr, mit den vielen Flügen und Zeitzonenwechseln. Ich glaube, das ist der Grund, der Künstler dazu bewegt, sich Pausen zu nehmen – nicht der Konkurrenzdruck.
terzwerk: Trotzdem ist der Klassikmarkt ja kein lustiger Schulausflug. Obwohl es da auch um den besten Platz im Bus geht. Was musst du tun, um dich gut zu vermarkten?
Moog: Ich muss quasi alles in einem sein: Personal Manager, Reiseplaner und natürlich der Künstler selbst. Ich bin dafür verantwortlich, wie ich mich präsentiere, auf der Website, bei Twitter, Facebook, vielleicht auch Snapchat. Dazu kommt noch die Präsenz in den traditionellen Medien. Ich würde sagen, ich kann da gar nicht genug machen.
terzwerk: Du hast doch den Luxus einer Agentur und eines persönlichen Agenten. Können die dir das nicht abnehmen?
Moog: Theoretisch ist es so, dass sich um diese ganzen Bereiche eigene Leute kümmern, zum Beispiel um die Website oder PR-Kampagnen. Aber es braucht jemanden, der alle Fäden in der Hand hat und zumindest Instruktionen gibt – und das will ich sein. Letztlich bin ich ja Produkt und Verkäufer in einem.
terzwerk: Ganz schöne Diskrepanz!
Moog: Unglaublich eigentlich, wie robust man sein muss, um die Reisen zu überstehen und Kritik, Auftrittsdruck oder Lampenfieber zu bewältigen – und andererseits so sensibel, wenn man auf der Bühne ist. Wie feinfühlig man sein und wie schnell man sich öffnen können muss, alle Barrieren und Panzer beiseiteschieben muss. Das ist vielleicht die größte Herausforderung am Künstlerdasein. Also dieses ständige harte Schale, weicher Kern.
terzwerk: In den Sozialen Medien zeigst du beide Seiten – die professionelle und die persönliche. Die ganz großen Stars sitzen sicher nicht den ganzen Tag vor Twitter & Co. Machen die was falsch?
Moog: Einige meiner Kollegen bevorzugen es, sich nicht so sehr mit diesen Dingen zu befassen. Sie haben vielleicht das Glück, bei einem großen Label unter Vertrag zu sein, das ein Gesamtpaket anbietet und das sehr gut macht. Aber die Schattenseite ist aus meiner Sicht, dass man vorgeschrieben kriegt, was man machen soll – sogar, in welche Richtung Interviews gehen sollen…
terzwerk: Und in diesem Interview?
Moog: (lacht) Na ja, wir haben vorher ja keinen Fragenkatalog absprechen lassen und ich habe selbst entschieden, was ich anziehe. Ich habe Geschichten gehört: Da werden Labels ganz schön übergriffig.
terzwerk: Wenn du deine Hosen selbst bügeln musst, fehlt dir doch die Zeit zum Üben, oder?
Moog: Übezeit ist heilig! Es ist die Basis und alles andere fußt darauf. Ich könnte keine Vorbereitungszeit opfern, um PR-mäßig noch mehr zu erreichen. Ich würde mich dann auch irgendwie… schmutzig fühlen oder unehrenhaft. Ich hätte den Eindruck, dass es mehr marktschreierisch als ernsthaft künstlerisch ist. Bisher bin ich aber sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie ich präsentiert worden bin. Und ich bin sehr froh, dass es noch kein Diktat gibt, nach dem man eine bestimmte Anzahl Follower haben muss, um überhaupt engagiert zu werden. Obwohl es schon so ein bisschen in die Richtung geht.
terzwerk: 10.000 Follower mehr katapultieren Künstler in größere Konzertsäle…
Moog: Wenn es so einfach wäre. Letztlich ist es ja immer das gleiche Hindernis, das zu überwinden ist. Und zwar: Veranstalter, die Künstler engagieren wollen, fürchten natürlich ein Risiko – dass ein Konzert nicht so erfolgreich ist, wie es sein könnte, und deswegen ist der Faktor „Risikominimierung“ für Veranstalter, egal welcher Art, immer entscheidend.
terzwerk: Was heißt Risikominimierung?
Moog: Bekanntheit, viele Interessierte, große Zielgruppe, gute Präsenz in den Medien. Das sind alles Faktoren, die für Veranstalter die Wahrscheinlichkeit erhöhen, jemanden zu engagieren.
terzwerk: Du scheinst viele Uni-Vorlesungen zum Thema belegt zu haben.
Moog: (lacht) Nein. Obwohl ich glaube, dass es die tatsächlich gibt. Workshops zum Thema „Karrieremanagement“ oder so ähnlich. Da geht es darum, Künstlern überhaupt mal zu vermitteln, dass man davon leben können muss, wenn man es professionell machen will. Und dass dazu mehr gehört als nur gut zu spielen oder viele Konzerte zu haben. Ich glaube, den Durchbruch im klassischen Sinne, wie er gerne genannt wird, den gibt’s heutzutage sehr selten oder gar nicht mehr.
terzwerk: Hast du Angst, dass du den Schampus und den Kaviar gegen Brot und Wasser umtauschen muss?
Moog: Mag ich eh nicht! … Es gibt natürlich Phasen bei Künstlern, wo man vom Erfolg berauscht ist und so ein bisschen zu begeistert und zu wenig selbstkritisch ist. Da ist das Maß sehr entscheidend. Aber dieses Perpetuum mobile, das man nur einmal anschmeißen muss, ist eine Illusion. Das ist einerseits gut, aber auch schwierig – vor allem für die Mentalität von Künstlern, weil wir schon so ein bisschen darauf getrimmt sind. Man hat so die romantische Vorstellung von dem einen Konzert in der Carnegie Hall und danach rufen alle an…
terzwerk: Och jö… Scheint ja aber dennoch sehr gut bei dir zu laufen!
Moog: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich von diesem Modell verabschieden muss. Ich finde: darf! Das ist ja auch eine Form von Entlastung! Aber es bedeutet eben auch, dass man sich nie wirklich zurücklehnen und die Sache beobachten kann, wie sie ganz von alleine läuft.