Einsamkeit hat viele Gesichter. Sie kann sich hinter einer scheinbar makellosen Vorgarten-Idylle als schmissige Jazz-Nummer offenbaren. Oder nach einer Katastrophe alle Beteiligten in ihrer eigenen Welt gefangen halten. In Duisburg inszenieren zwei Nachwuchsregisseure die Einsamkeit in »What Next?« und »Trouble in Tahiti«.
Tibor Torell und Philipp Westerbarkei sind die ersten hinter dem Regiepult in der Reihe »Young Directors«. Das Programm der Deutschen Oper am Rhein gibt Nachwuchsregisseuren des Hauses die Gelegenheit, eigene Inszenierungen zu realisieren. Normalerweise arbeiten die beiden als Spielleiter und beschäftigen sich mit den Inszenierungen anderer Regisseure. Für dieses Experiment haben sie sich zwei moderne Einakter außerhalb des Repertoires ausgesucht. An einem Abend werden beide Kammeropern aufgeführt: Elliott Carters »What Next«, auf die Bühne gebracht von Tibor Torell und Leonard Bernsteins «Trouble in Tahiti« inszeniert von Philipp Westerbarkei.
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Die Regie-Bredouille
Man kann es sich kaum vorstellen! Lastet heutzutage die größte Verantwortung auf dem Opern-Regisseur, hat man für lange Zeit gar nicht die Notwendigkeit einer Inszenierung gesehen. Die Sänger traten an die Rampe, trällerten ihre Arien vor einer opulenten Kulisse und das ganze Schauspiel beschränkte sich auf wenige pathetische Gesten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts kam Gustav Mahler an der Wiener Staatsoper auf die Idee, einen Regisseur einzustellen. Nur schade, dass in den folgenden Jahren immer weniger neue Opern auf die Bühne kamen. An die Stelle trat eine Auswahl an alten beliebten Stücken, die offenbar ein treues Publikum immer wieder in die Oper brachte. Die Opernhäuser entwickelten einen Repertoire-Trott, der allerdings bei einer konservativen Gesellschaftsschicht Anklang fand.
Eine wirkliche Innovation kam erst vierzig Jahre später von der Regie – die alten Werke wurden neu interpretiert, abstrahiert, aktualisiert. Der Nihilismus auf der Bühne wurde begraben. Und auch wenn es dem konventionellen Opernpublikum nicht schmeckt, wird Regietheater noch bis heute serviert. Dabei haben sich neue Werke kaum bewährt, das Repertoire ist noch kleiner geworden. Der Regisseur ist die künstlerische Instanz, an der die meisten Erwartungen hängen.
Ein guter Schachzug von den »Young Directors« bei dieser festgefahrenen Situation selten gespielte, moderne Opern auszuwählen.
Verzaubern vs. Provozieren
»Verzaubern« ist sicherlich ein Wort, welches selten aus dem Mund eines Opernregisseurs herauskommt. Höchstens Zefirelli hat vielleicht schon mal davon Gebrauch gemacht. Denn eigentlich hat sich das Regietheater Ende der sechziger Jahre von bequemen Inszenierungen verabschiedet, bei welchen die Opernbesucher langsam in ihren Sitzen versinken und glückselig genießen.
Bei »Trouble in Tahiti« werden sie aber eher vergnügt zu jazziger Musik mit den Füßen wippen. Die Emotionen, die Westerbarkei in der Oper schätzt, sind auch bei dem Einakter zentral.
Im Gegensatz zu »Trouble in Tahiti« kann man bei »What Next?« von Unterhaltung nur wenig spüren. Die Handlung ist ähnlich ereignisreich wie Becketts »Warten auf Godot«, die Musik hochkomplex und aufreibend. Zum Glück hat Tibor Torell keine Scheu, den Opernbesucher zu reizen.
»Ich sehe nicht, dass ich ein Weltkulturerbe als rohes Ei in meinen Händen halte, weil das nicht der Fall ist. Jedes Handwerk hat sich über Jahrhunderte entwickelt, und sollte oder muss in jedem Fall erhalten bleiben. Das ist eben auch eine Aufgabe unserer Gesellschaft.«
– Ein Beitrag von Marie König und Teodora Bala-Ciolanescu –