Auf dem besten Weg zu einer großen Karriere! Wie Wasser in der Wüste! jubeln die Magazine. Danae Dörken ist Pianistin, 25 Jahre alt und wird gerade berühmt. Doch wie wird und bleibt man als junge Musikerin erfolgreich?
Da sind diese Hände, die niemals stillhalten. Jede Sehne, jede Fingerspitze will gestalten. Wenn Danae spricht, sprechen eigentlich ihre Hände, und ihre Worte ergänzen die Bewegung. Manchmal kündigen sie das Lachen an, das plötzlich aus dieser zarten Person hervorpoltert und überraschend kehlig klingt. Man kann sich vorstellen, dass dieser Lockenkopf früher ein wenig stur war: Nachdem sie bei einem Kindergeburtstag ein Mädchen hatte Klavier spielen hören, quengelte sie ein Jahr lang, bis sie endlich auch Stunden nehmen durfte. Da war sie fünf Jahre alt. Ihre Mutter karrte sie die Wuppertaler Hügel hoch und runter, zum Unterricht, dann zu Wettbewerben, Konzerten, Preisverleihungen.
So nett diese Geschichtchen klingen, so typisch sind sie für die ersten Lebensjahre eines professionellen Musikers. Doch nur eine Handvoll der fleißig Übenden schafft es auf die großen Bühnen. Die sehr dehnbare „musikalische Qualität“ ist zwar eine Voraussetzung für die Karriere, reicht aber längst nicht mehr aus.
Auf ihrer großen Karriere-To Do-Liste kann Danae viele Häkchen setzen: Sie ist bei Schimmer PR unter Vertrag, hat bei Lars Vogt Unterricht – der praktischerweise Pianist und Dirigent ist – und eine eng vertraute Managerin, nämlich Sophia Grevesmühl von der internationalen Künstleragentur Opus 3 Artists. Deren anderer Schützling, die Geigerin Caroline Goulding, war vor einiger Zeit auf der Suche nach einer Klavierbegleitung gewesen; so kam Danae ins Spiel. „Ich habe sofort Danaes enormes Potential gesehen und wusste gleich, dass ich sie gerne vertreten würde“, schwärmt Grevesmühl. Zwischen erster Begegnung und Vertragsunterzeichnung lag ein mehrmonatiger Prozess, in dem die Agentin sich zur Künstlerin umgehört, sie beobachtet, ihre Aufnahmen und Konzerte gehört und sie persönlich getroffen hat. Bei Opus 3 stimmen sich außerdem die Mitarbeiter der deutschen und amerikanischen Standorte in Ruhe ab, bevor ein neuer Künstler ins Programm genommen wird.
Die Agentur (oder auch: das Management) eines Künstlers ist für die strategische Karriereplanung verantwortlich. Dazu gehört hauptsächlich: Plattenverträge an Land ziehen, sich mit PR-Agenturen verständigen, Konzerte an Veranstalter verkaufen. All das geschieht in enger Abstimmung mit dem Künstler oder der Künstlerin.
Die Agentur finanziert sich in der Regel über die Provisionen der vermittelten Konzerte. Auch deshalb hat sie ein großes Interesse am Erfolg ihrer Schützlinge. Ein guter Manager achtet darauf, dass der betreute Künstler zufrieden und leistungsfähig bleibt.
Das Wichtigste dabei: Kontakte, Kontakte und nochmals Kontakte. Eine Agentur sollte sich mit den Veranstaltern und Orchestern auskennen, die Neulinge am Markt überblicken und einen guten Stand bei den Medien und Plattenfirmen haben. Letztere haben wahrscheinlich den größten Einfluss auf das Image eines Künstlers.
Die Agenten betreuen und begleiten ihre Künstler wie sehr enge Vertraute. Die Präsentation in der Öffentlichkeit und die Vermarktung wird dann von Plattenfirmen und den Medien übernommen.
„Unsere Generation wird nicht mehr berühmt, weil ein großer Agent ein paar Anrufe tätigt.“
– Danae Dörken
Aus der Traum! Der exzentrische Künstler, der sich nur für ein Konzert aus seiner Übezelle quält, wird in den meisten Fällen dort versauern. Die jungen Stars von heute müssen aus sich herausgehen, sich selbst präsentieren. Hinter dem schönen Wort „Selbstvermarktung“ stecken Twitter, Facebook, YouTube, eine hervorragende Website, professionelles Fotomaterial und nicht zuletzt die Fähigkeit, mit Leuten zu reden. Ja, auch Stars müssen sich unterhalten, Kontakte knüpfen und halten können und angenehme Gäste sein. Offenbar keine Selbstverständlichkeit.
Die Dortmunder Brückstraße, an einem lauen Juliabend. Die Dortmunder Philharmoniker kühlen sich bei einem Bier von ihrem Konzert ab. Danae steht entspannt in der Menge und plaudert mit dem Orchestermanager Michael Dühn und ihrer Agentin über das Konzert. Ein voller Saal und begeisterte Zuhörer – kein Wunder bei diesen Knaller-Titeln: Ravels Boléro, eine Carmen-Suite und ein Mozart-Klavierkonzert. Michael Dühn weiß, was beim Dortmunder Publikum zieht. Auf Danae war er in einem Magazin aufmerksam geworden.
„Ich bin immer auf der Suche nach Künstlern, die auch jenseits ihrer technischen Fähigkeiten etwas zu sagen haben. Wer mannigfaltige Dinge erlebt hat, webt diese in seine Musik mit ein und bringt eine echte Persönlichkeit mit. Letztendlich entscheidet aber immer das Bauchgefühl: Manche tollen Musiker harmonieren einfach nicht mit dem Orchester. Bei Danae hatte ich ein sehr gutes Gefühl.“
– Michael Dühn
Am Anfang steht die Musik. Wenn die Dortmunder Philharmoniker ihre Spielzeit planen, werden zunächst Werke ausgewählt, die in die Dramaturgie der Saison passen. Erst, wenn die Konzertprogramme stehen, sprechen Generalmusikdirektor Gabriel Feltz und Michael Dühn über mögliche Gastdirigenten und Solisten.
Die Werke und Gastkünstler zusammen zu puzzeln, nimmt einige Zeit in Anspruch. Im Optimalfall hört sich Michael Dühn die potentiellen Solisten live an, kommt mit ihnen ins Gespräch und lernt sie persönlich kennen. Außerdem holt er die Meinung seiner Kollegen über einen bestimmten Künstler ein. Hat er sich entschieden, kommt er mit den Agenturen ins Gespräch, verschickt Programme und einigt sich auf die Konditionen.
Und was braucht man nun als junge Künstlerin, um Engagements an Land zu ziehen?
„Das Gesamtpaket muss stimmen“, stellt Sophia Grevesmühl trocken fest.
Man stelle sich vor: Da klingelt der Postbote an der Tür und bringt es vorbei, das Gesamtpaket. Darin verpackt: Ein spannender Charakter, eine interessante persönliche Geschichte, Musikalität, Perfektion, soziale Fähigkeiten, ein einzigartiger Repertoireschwerpunkt. Ein Paket, an dem sehr viele Hände mitgepackt haben und das viele Empfänger zufriedenstellen soll.
Klingt fast unmöglich – bei Danae aber ist die Zusammenstellung geglückt. Wie schön, dass sie das Ganze eher realistisch betrachtet.