Die Baar-Sporthalle in Donaueschingen ist weder schön, noch hat sie einen ästhetischen Klang. Eigentlich ist sie auch keine Konzerthalle, aber Donaueschingen hat seine eigenen Regeln. Wenn man reinkommt, sieht man links die große Bühne sowie ein überdimensionales blaues Banner mit der Aufschrift „Donaueschinger Musiktage“. Es riecht es etwas muffig, ähnlich wie beim Nachmittags-Sportunterricht in der neunten Klasse. In der Reihe hinter mir nehmen zwei Damen Platz. Sie sprechen französisch, unterhalten sich über hochqualifizierte Musikhochschulen. Etwas konfus aufgrund der gegensätzlichen Eindrücke setzte ich mich auf meinen Platz: ein alter, grauer und unbequemer Klappstuhl.
Das Orchester betritt die Bühne. Es ist ein vollwertiges Sinfonieorchester, ganz in schwarz. Absolutes Kontrastprogramm zur Sporthallenatmosphäre. Eine Frauenstimme kündigt in Nachrichtensprecher-Manier an: „Channel Two. News! Headlines!“ Die Frauenstimme ist hart und schroff. Im Gegensatz dazu stehen atmosphärische, dunkle Klänge der Streicher und Bläser, die sie begleiten. Ergänzt wird das ganze durch Röhrenglocken und Xylophon. Es klingt wie der Aufmacher einer amerikanischen Nachrichtensendung. Die Pauken beginnen zu Wirbeln und ein Grollen erfüllt den Raum. Dann endet die Darbietung abrupt.
Aus dem Nichts greift eine Männerstimme ins Geschehen ein und schreit: „Channel Four. News! Headlines!“ und das Orchester spielt eine leicht abgeänderte Version des zuvor Gehörten. Selbst der unaufmerksamste Hörer muss hier eine gewisse Eintönigkeit bemerken. Das ganze endet wieder abrupt.
Im Grunde verfahren die Musikpassagen alle nach demselben Schema: Wuchtige Streicher und Bläser donnern los und werden durch Flöten, Xylophon, Röhrenglocken und Glockenspiele ergänzt, die sich wie ein funkelndes Glitzern über das Orchester legen. Sofort schießen Assoziationen mit dem Broadway, Sinatra und auch Hollywood-Filmmusik durch den Kopf. Es sind seichte, unaufgeregte Klänge. Als News-Music im Hintergrund einer Nachrichtensendung funktioniert das. Für den Donaueschinger Konzertsaal ist das aber zu wenig.
Erst in der zweiten Hälfte wandelt sich das Stück ein wenig. Über die Boxen werden technische Störgeräusche, wie Handyrückkopplungen, Surren und Klacken eingespielt, dazu ein Sinuston eines Pulsüberwachungsgeräts, gegen den die Musiker anzuspielen versuchen. Immer mehr absurde Geräusche treten auf und das Orchester schaukelt sich auf, ehe es in einer lauten, dröhnenden Marschmusik gipfelt, die versucht, sich gegen eine Polizeisirene durchzusetzen. Wie bereits vorauszuahnen, findet auch diese Passage ein abruptes Ende und eine Sprecherstimme verkündet: „That’s for today (…) we’ll leave you with the sound of codified power.“
Ein weiterer Abschnitt wird mit den Worten „This is big and very American!“ eingeläutet. Unweigerlich muss ich bei dieser Rhetorik an den polternden Donald Trump denken und bezweifle stark, dass jetzt substanziell anspruchsvolle Musik kommen wird. Meine Vorahnung soll bestätigt werden. Wieder werden Störgeräusche, wie ein „Tonbandsalat“ eingespielt und das Orchester spielt wieder nach „Schema F“ dagegen. Wie die zuvor gehörten Abschnitte findet auch dieser ein abruptes Ende.
Was sich anschließt ist eine minutenlange Coda. Der zuvor treibende Rhythmus der „News Music“ ist verschwunden, ebenso die Störgeräusche. Die musikalischen Figuren wirken erstmals in sich geschlossen und es findet kein abruptes Bremsen mehr statt. Das Orchester spielt piano, stellenweise auch pianissimo. Die Streicher lullen den Hörer ein in einen glattgebügelten Klang a la „Disney’s Traumfabrik“. Doch auch dieser Abschnitt gibt musikalisch zu wenig her, sodass ich mich frage, wann ich mich endlich von diesem unbequemen Plastikstuhl lösen kann. Schließlich werden die Streicher immer leiser und klingen aus.
Noch bevor der letzte Ton vollends verklungen ist, schreit jemand „Bullshit!“ durch den Saal. So drastisch hätte ich es nicht ausgedrückt, aber ich hatte auch das Gefühl, dass es dem Stück etwas an musikalischer Substanz gefehlt hat. Das Orchester hat handwerklich gut gearbeitet und das Werk kann durchaus funktionieren, allerdings nicht im Kontext „Donaueschingen“. Dafür war es nicht revolutionär und ausgereift genug.