Zarte Lautentöne durchbrechen die Stille, dann ertönt die flehende Bitte „Lasciatemi morire!“ („Lasst mich sterben!“). Mit diesem Ausruf beklagt die von Theseus verlassene Ariadne ihr Schicksal. Roberta Mameli beginnt das Lamento, das als einziges Stück der Oper L’Arianna (1608) von Monteverdi erhalten ist, mit eindringlichen, melancholischen Tönen. Vor allem in den Legato-Passagen interpretiert sie ihre Klagen in Klängen, die so fragil wie Glas scheinen. Dabei stimmt sie die Töne eher gehaucht an, ein passender Ausdruck für die vollkommene Resignation und den Todeswunsch Ariadnes.
Roberta Mameli, Fotos: © Richard Dumas
Das Tempo der Einspielung ist mit etwas über neun Minuten Dauer relativ hoch, andere Interpretationen wie zum Beispiel von Anne Sofie von Otter sind ungefähr zwei Minuten länger. In den meisten Passagen tut das schnellere Tempo dem Stück keinen Abbruch, sondern verdichtet die nicht enden wollenden Elegien Ariadnes zu einem Bild der Hoffnungslosigkeit. Allerdings gibt es in der Arie auch immer wieder Umschwünge, in denen sie Theseus der Untreue anklagt. Diese Passagen sind ohnehin in höherem Tempo komponiert, sodass sie in dieser Einspielung in starkem Kontrast zum Rest des Stückes stehen. Die dadurch erzielte Heftigkeit verdeutlicht noch einmal den Gemütszustand der Protagonistin, aber durch das hohe Tempo driftet Mamelis Stimme zeitweise ab, die Töne klingen an diesen Stellen schärfer und forcierter.
Der Lautenist Luca Pianca ist nicht bloßer Begleiter der Gesangsstimme, sondern eigenständiger Duettpartner. Vielfach untermalen oder verstärken die Lautenklänge die Emotionen der Stücke. Auf der CD finden sich auch Solostücke wie zum Beispiel eine von Pianca improvisierte Toccata und drei Stücke von Andrea Falconieri. Die Laute klingt dabei immer angenehm ruhig, die Triller sind gut ausbalanciert und der vielfach tänzerische Charakter der Stücke sehr gut interpretiert.
Lagrime („Tränen“) ist das zentrale Wort dieser CD, denn auch in anderen Stücken wie der Arie L’Eraclito Amoroso der Komponistin Barbara Strozzi, dem Lamento di Didone von Sigismondo D’India oder der Arie Addio, Roma! aus L’incoronazione di Poppea von Monteverdi stehen Einsamkeit, Melancholie und Todessehnsucht im Vordergrund. Wie schon im Lamento di Arianna gelingen der Sopranistin die leisen, melancholischen Passagen am besten, in denen sie den Schmerz der Figuren geradezu plastisch auszudrücken vermag. Aber auch die bereits angedeuteten Schwächen treten in diesen Stücken deutlicher hervor: vor allem in den höheren Lagen werden die Töne angeschliffen und der hauchige Charakter ist nicht immer passend. Die tieferen Töne weisen jedoch ein stabiles Fundament und eine angenehme Klangfarbe auf.
Roberta Mamelis Interpretation des bekannten Liedes Amarilli, mia bella von Caccini klingt anmutig und sanft, wie eine schüchterne Liebeserklärung. Sie gestaltet die Verzierungen leicht und einfühlsam, fast zerbrechlich. Die Melancholie ist nicht so ausgeprägt wie in anderen Stücken, aber durchaus vorhanden. Besonders eindringlich gelingt ihr das Ende des Lamento di Didone, indem sie die Töne immer leiser werdend anstimmt, bis sie schließlich ganz verhallen. Auch hier steht eine verlassene Frau im Mittelpunkt: Dido, Königin der Katharer wurde von Aeneas verlassen und will ihrem Leben deshalb ein Ende setzen. Eine wesentlich bekanntere Version des Stoffes stammt aus Henry Purcells Oper Dido and Aeneas. Während Purcell Didos Klage in schlichte, zutiefst erschütternde Noten setzt, bekommt sie bei D’India mehr Raum, was allerdings nicht weniger ergreifend ist.
Die CD beginnt und endet mit einem Stück von Monteverdi. In der Arie Addio, Roma! verabschiedet sich Ottavia, ehemalige Kaiserin Roms, die ihren Platz an Poppea abtreten musste und nun in die Verbannung geschickt wird, von ihrer Heimat. Zunächst erklingt das „Addio“ stockend, wie von Schluchzern geschüttelt oder aus ungläubigem Erstaunen gestottert, am Ende resigniert und schicksalsergeben. Das Stück fasst die Gefühle, die auf dem gesamten Album vorherrschen, gut zusammen. Der Wechsel zwischen Klage und Anklage findet sich hier ebenso wieder wie die sich daraus ergebenden Stärken und Schwächen der Interpretation. Für das Gesamtkonzept ist es sehr passend, dass das letzte gesungene Wort „Addio“ ist, schließlich ist dieses Album eine Sammlung von Abschiedsszenen, die berühren. Eine Stimme und eine Laute: mehr braucht es nicht, um diese Gefühlswelten überzeugend zu interpretieren.