»Seid umschlungen, Millionen!« So hat Friedrich Schiller einmal pathetisch gedichtet. Johan Simons hat die Millionen bei seiner Intendanz ausgeklammert. Stellvertretend für Schillers Weltgemeinschaft sind aber im Juli 40 Jugendliche aus der ganzen Welt im Ruhrgebiet zelten gegangen. Ihre Geschichten aus dem Zeltlager haben sie in dem Projekt »Millionen! Millionen! Millionen!« im PACT Zollverein in Essen erzählt.
Aus den realen Geschichten aus dem Zeltlager wurde mit Hilfe der Künstlergruppen “Mit Ohne Alles” und “Mammalian Diving Reflex”eine Nacherzählung für die Bühne. Das Publikum sitzt dicht an den Darstellern, die sich auf drei Sofas an der gegenüberliegenden Wand fläzen. Während der ganzen Aufführung treten immer wieder Jugendliche auf ein quadratisches Podest und erzählen vom Zeltlager oder ihre ganz persönliche Geschichte. Eineinhalb Stunden nehmen sie uns mit auf eine Nachtwanderung, in den Bürgerkrieg in ihrer Heimat, die kalte Nacht im Zelt,…
Eineinhalb Stunden lernen wir die einzelnen Mitglieder der Gruppe kennen. Die extrovertierten besser als die eher introvertierten. Alle Grenzen scheinen in dieser Zeit aufgehoben, die Barriere zwischen Publikum und Ausführenden genauso wie Staatsgrenzen. Die Aufführungssprache wechselt genauso schnell zwischen Englisch und Deutsch, wie sich die kleinen Geschichten abwechseln. Am Ende wird klar, dass die Heterogenität der Gruppe ihre besondere Stärke ist. Jeder bringt andere Ansichten und Vorstellungen mit und so entstehen spannende Gespräche über die Themen einer Generation.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
Muss ein lieber Vater wohnen.
– Friedrich Schiller –
Irgendwann stehen zwei Jugendliche auf dem Podest und streiten sich darüber, ob es romantische Liebe wirklich gibt. Bevor die Situation eskaliert, tritt ein dritter dazu, hört den beiden zu und beruhigt sie irgendwann: Er würde lieber dumm sein, an die romantische Liebe glauben und damit glücklich sein. Das sei besser, als zu wissen, dass es sie nicht gibt und dafür traurig zu sein. Eine Szene wie sie in einem Zeltlager von zwölf- bis achtzehnjährigen oft stattfinden kann.
Leitmotivartig wird das Thema Ramadan verarbeitet. Viele Nicht-Muslime haben mit den Muslimen gemeinsam gefastet. Sie erzählen von ihrem Hunger und ihrem Durst. Nach der Szene mit der Liebe dann der Countdown von zehn abwärts. Bei Null angekommen sind wir wieder im Zeltlager. Es ist 22 Uhr und die Gruppe kann ihr Fasten brechen. Symbolisch werden Kekse und Obst an das Publikum verteilt.
Künstlerisch fällt der Abend sicherlich aus der Ruhrtriennale heraus. Dafür zeigt er uns aber wie einfach die Welt funktionieren könnte. Es ist egal woher jemand kommt oder wohin er will. Aus Fremden können nur Bekannte werden, wenn wir auf sie zugehen. “Millionen! Millionen! Millionen!” ist ein Paradebeispiel dafür, wie aus einer bunt zusammengewürfelter Gruppe eine Gemeinschaft wurde, wie sich 40 Menschen symbolisch für Millionen umschlingen.