Kritik von Popmusik ist die einfachste Sache der Welt. Jeder kann es, die meisten lieben es. Einmal pikiert mit dem Zeigefinger den Sender im Autoradio wechseln, laut ausatmen und sanft den Kopf von links nach rechts nach links schütteln. Ist das nicht fantastisch? Der allmächtige Musikkritiker kann in jedem von uns erwachen, sobald etwas nicht unserem Geschmack entspricht. Das Beste daran ist, dass wir diese Popdiva, diesen Macho-DJ, diese weichgespülte Schmuseboyband im Radio gar nicht selbst kennen müssen, um uns ein Urteil zu erlauben, weil „klingt ja sowieso alles gleich“.
Vielleicht würde es uns allen – da schließe ich mich selbst nicht einmal aus – ganz guttun, nicht vorschnell zu urteilen. Denn es ist ein leichtes, nach einem anstrengenden Tag, ein wenig weiteren Hass in sich selbst und in seiner Umwelt zu verbreiten. Nach der Überstunde klingt Mark Forster gleich dreimal so langweilig und Beyoncé kann nach dem Zahnarztbesuch weitere Nerven rauben. Leider passiert dieser Nervenraub völlig zu Unrecht. Auch bei Popsongs gibt es kreative Köpfe, die einen Song schreiben und einen in sich geschlossenen Songaufbau gewährleisten. Es gibt musikalische und inhaltliche Themen, eine Instrumentierung, einen Produzenten und natürlich Musiker, die diese Songs einsingen und sogar im Studio einspielen.
Irgendwann ist uns durch ständigen Konsum von ebenjener Popmusik der schlaue Gedanke gekommen, dass doch da nur jemand sitzt und auf Knöpfe drückt, die dann einen fertigen Song auswerfen. Sicherlich gibt es Ballermann- und Après-Ski-Djs, die dieses Klischee bestätigen, aber dann doch eher die Ausnahme sind.
Dass diese Songs dann vielleicht gleich klingen ist einerseits unserem Hörverhalten geschuldet und zum anderen kein valides Argument gegen Popmusik. Letztendlich sitzt keiner in Ruhe auf dem Sofa und analysiert eine Stunde lang jeden Song, der da gerade von der CD gelesen und von Spotify ausgespuckt wird. Im Auto, im Fitnessstudio, im Supermarkt, egal wo uns diese Songs ansonsten begegnen, klingen sie natürlich ähnlich, weil wir uns gar nicht die Zeit nehmen, sie mit all ihren Einzelheiten und Unterschieden auf- und wahrzunehmen. Konsum immer nur nebenbei und eben nicht bewusst.
Und Gleichheit war, zumindest in der Musik, noch nie ein ernstzunehmendes Problem. Jedes Genre hat seine bestimmten Merkmale und klingt für jemanden, der sich eben nicht damit auskennt, gleich.
Jazz (ein schnelles Saxophon, hektische Improvisation oder Musik, die ein Pianist in der Bar spielt) ist ja sowieso nur etwas für richtige Nerds und klingt nur mit dem Masterabschluss in der Tasche gut. Hiphop (ich will was von deiner Mutter und spreche dabei sehr schnell) taugt ja auch nur etwas, wenn man im Kiez aufgewachsen ist. Und Metal (shgfshsSATANjfskjGESCHREIhfjf) klingt sowieso gleich und ist noch lauteres und böseres Geschrammel als beim Punk.
Wenn man sich mit einem Genre nicht besonders auskennt, dann sollte man vielleicht von seinem hohen Ross absteigen und einfach mal in Ruhe hinhören. Denn Popmusik ist schöne Musik. Popmusik ist bekömmlich. Eine einprägsame Form und harmonische Melodieführungen, Ohrwürmer für Wochen. Verständliche Texte und Themen, mit denen sich jeder anfreunden kann. Instrumentierungen, die nicht wehtun, weil schräg und schrill. Arrangements, die man schnell nachvollziehen kann. Warum sollten wir uns über all diese Punkte beschweren? Weil unser Intellekt so groß ist, dass er von dieser Musik beleidigt wird? Weil wir beim Autofahren viel lieber – Achtung: Sarkasmus – Kopfschmerzen bekommen wollen? Weil die Popmusik von heute einfach viel schlechter ist, als in der guten, alten Zeit?
Hach ja, die gute alte Zeit… Es gab schon immer Popmusik. Wir vergessen die Definition des Ganzen. Es geht um Musik, die populär ist, um Musik, die im besten Fall massenkompatibel, seicht und einprägsam ist. Im 18. Jahrhundert hat Johann Sebastian Bach Popmusik gemacht, in den 50er Jahren war Ella Fitzgerald eine Popkünstlerin, irgendwann auch die Beatles und die Bee Gees. Und es gab immer schon Menschen, die mit dieser Musik nichts anfangen konnten. Vielleicht war sie ihnen zu langweilig und eintönig, vielleicht haben sie sie aber nur nicht verstanden. Diese Menschen wird es immer geben und das ist auch gut so. Damit kann uns nämlich bewusst werden, dass zum Glück immer noch wir selbst entscheiden dürfen, welche Musik wir gut finden und welche eher nicht.
Bildcredits:
Titel-und Hintergrundbild: Dad´s Radio / Alan Levine / flickr.com / CC BY 2.0
Descending Motion / Andrew Malone / flickr.com / CC BY 2.0
michael-jackson (1) / Francesco / flickr.com / CC BY-SA 2.0
Beethoven doesn´t like your attitude. / jenvargas / flickr.com / CC BY-SA 2.0