Sergej Prokofievs Oper “Die Liebe zu den drei Orangen” handelt von Prinzessinnen, Zauberei und Obst. In der Wuppertaler Inszenierung, die am 29. Oktober Premiere gefeiert hat, werden wir selbst Teil des Spektakels.
Der Prinz ist ein weinerlicher Nerd. Seine fettigen Haare bettet er lieber aufs Krankenkissen, anstatt sie unter die Krone zu kämmen – aber wie soll er König werden, wo er doch an hypochondriotisch verschleimter Melancholie leidet? Ein paar Hexenzauber später ist der Prinz genesen und marschiert durch die Weltgeschichte, um die drei Orangen zu finden, in die er sich verliebt hat.
Groteske Handlung und Musik wie eine gemischte Tüte: Überall knackt und prickelt es, und die Klänge werden so bunt abgewechselt, dass man süchtig nach mehr Prokofiev-Krachern wird. Der Komponist selbst sprach von einem Spaß-Stück, das dem Hörer keine Zeit zum Nachdenken lassen soll. Regisseur Sebastian Welker reicht das Popcorn dazu: Er versetzt die Handlung in eine glitzernde Zirkuswelt, in der sich allerlei skurrile Gestalten tummeln. Verkörpert werden diese vom großartigen Ensemble der Wuppertaler Oper; fast schon spielwütig stürzen sich die Sängerinnen und Sänger in ihre Partien. Mit artistischer Leichtigkeit begleitet das Orchester, dirigiert von Johannes Pell.
Wie detailverliebt, wie skurril hier inszeniert wird! Da tanzt ein Kermit im Tutu auf dem Wohnwagen-Dach, Smiley-Luftballons schweben durch die Lüfte und der Spaßmacher doziert mit dem Overhead-Projektor. Bei diesen knalligen Kostümen (Doey Lüthi) und der wandlungsfähigen Bühne (Rifail Ajdarpasic) bleibt einem der Mund offen stehen.
Doch mitten im Konfettiregen wird das Licht auf einmal fahl, und die Kulisse dreht sich. Da verbergen sich ein Vater-Sohn-Komplex, Kritik am Establishment und an uns, den Opernbesuchern, mit unseren eingerosteten Verhaltensweisen. In was für einem Betrieb befinden wir uns hier eigentlich? Wo hört das Theater auf, wo fängt es an? Die Wuppertaler Oper hat diese Saison mit allem neu begonnen, und man hat Lust, selbst eine Handvoll Konfetti zu werfen angesichts dieser herrlich doppel- und tripelbödigen Inszenierung, die uns vor Augen führt, was Musiktheater mit uns anstellen kann. “Die Liebe zu den drei Orangen” ist eine Show-Oper, bei der wir uns wegschmeißen, in wunderbarer Musik wälzen, aber auch an tiefgründigen Popcornstückchen verschlucken können.
Was euch in Wuppertal noch erwartet, hört ihr im Podcast: