Schön unaufgeregt, diese Hommage an Gerard Mortier, in einer “Kathedrale der Industriekultur”, der Gebläsehalle im Landschaftspark Duisburg Nord. Letztes Jahr ist Gerard Mortier gestorben, Gründer und erster Intendant der Ruhrtriennale, Musiktheater-Visionär wie kein anderer, sympathischer Rebell. Zu seinen Ehren veranstaltet das Festival ein Konzert mit zeitgenössischer Musik, mit Arbeitskollegen und Freunden, die seine Vision teilten. Die Einnahmen des Konzerts werden allesamt an “Music Fund” gespendet.
Freund, Mitstreiter – das ist zum Beispiel Intendant Johan Simons, der anfangs eine kurze Rede abliest, in der er von Mortier als Vorbild mit den gleichen Prinzipien spricht. Das ist auch Dirigent Emilio Pomàrico, der Ferrucio Busonis “Gesang vom Reigen der Geister” dirigiert, bei dem der Anfang barock anmutet, dann aber durch immer mehr Ungereimtheiten verstimmt wirkt. In Alban Bergs “Fünf Orchesterliedern nach Ansichtskarten-Texten von Peter Altenberg”, die Pomàrico bearbeitet hat, scheint die Stimme von Sopranistin Sarah Wegener von irgendwo hereinzuschweben, fein aber doch die Tonfarbe des wendigen Ensembles “Klangforum Wien” silbrig durchdringend.
Sylvain Cambreling wird in den 80er Jahren Generalmusikdirektor am Brüsseler Opernhaus, Mortier ist dort Intendant – seitdem verbindet sie ein langer gemeinsamer Weg. Cambreling dirigiert die übrigen Stücke von Giacinto Scelsi, Anton Webern und Olivier Messiaen. Scelsis “Pranam I” und “Pranam II” sollte eigentlich Teodor Currentzis dirigieren, doch der ist erkrankt. Die zwei Stücke schließen eine Klammer um Busonis und Bergs Kompositionen. “Pranam I” für zwölf Instrumente, Tonband und Alt ist ein Andenken an den griechischen Komponisten Jani Christou und seine Frau Theresia Houremi, die bei einem Verkehrsunfall gestorben sind. Cambreling lässt Altistin Natalia Pschenitschnikova und dem “Klangforum Wien” den nötigen Freiraum.
Die Stimme der Sängerin klagt, zittert, stößt Wortfetzen aus, die Instrumente wabern darum. “Pranam II” kommt ohne Stimme aus, dafür mit neun Instrumenten, die atmosphärisch-liegende Töne spielen, viel Vibrato und Glissandi. Dagegen verdichten sich in Weberns “Symphonie” einzelne Tonsprenkler mal mehr und mal weniger.
“Hinten links fehlt der Stuhl!”, ruft ein Mann in eine Umbaupause zwischen den Stücken. Es wird immer lange umgebaut. Gut geplant wirkt das nicht, zumal es einen aus der Atmosphäre, die die Stücke schaffen, stets wieder herausreißt.
Im letzten Stück, Messiaens “Couleurs de la Cité Céleste”, dröhnen die Blechbläser die Vorstellung eines intimen Hommage-Konzerts fort.
Ein schön unaufgeregter Nachmittag, fast.