“Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Beruf machen kann, wie ein Protest gegen die uns umringende Leere. Und was soll das bringen? Es hat keinen Nutzen und sehr viel Nutzen zur gleichen Zeit.”
Anstelle einer brennenden Fackel hält er einen dünnen Stab in der Hand. Statt Massen von Menschen hinter sich zu scharen, dirigiert er nur ein kleines Grüppchen. Kein tosendes Wort erklingt, sondern herrliche Musik.
Die Rede ist hier von Philippe Herreweghe, einem belgischen Dirigenten. Herreweghe (das h ist stumm), ohne merkwürdige Verrenkungen im Rachenraum. Schlichtweg Herreweghe. Dieses Rätsel der Musikkundigen sollte nun ein für allemal gelöst sein. Doch hinter diesem Namen steht ein gedankenvoller Mann. Ein fast siebzigjähriger Dirigent, der sich erst mal hinsetzt. Auf einen schwarzen, ledernen Sessel. Sein Metier ist die barocke Musik und Bach gehört zu seinen Lieblingen. Auch in der französischen Renaissance weiß er sich zu bewegen: Rameau, Charpentier, Lully. In Essen spielt er Beethoven.
“Ich z.B. habe persönlich sehr viel ältere Musik gemacht, vornehmlich Bach; ich habe alles von Bach zweimal aufgenommen. Und ich habe auch viel Renaissancemusik dirigiert und dann natürlich Carl Phillip Emanuel Bach und Haydn. Und wenn man diese Erfahrung hat, dann hat man eine andere Vision von Beethoven als traditionelle Dirigenten, die die ältere Musik absolut nicht kennen.”
Ein realistischer Visionär. Denn dieser Vision nähert er sich mit jeder Probe. Mit seinem Orchestre des Champs Elysées spielt er romantische und preromantische Werke auf Instrumenten aus Beethovens Zeit. Bis 2017 führt er in Essen als “Conductor in Residence” alle Sinfonien Beethovens auf.
Einige seiner Musiker hört man jetzt schon durch die geschlossene Tür hinter der Bühne. Die Probe für das Konzert am Abend beginnt in wenigen Minuten. An diesem Abend dirigiert er die ersten drei Sinfonien Beethovens. Die erste davon steht noch in der Tradition Haydns.
“Beethoven ist natülich sehr revolutionär gewesen und die ersten zwei sind von 1800; und die dritte von 1805. Und dann hört man, dass die ersten zwei Sinfonien wie Haydn sind. Man hört natürlich, dass es Beethoven ist, aber Nicht-Spezialisten könnten denken, das ist Haydn.”
Die zweite Sinfonie geht zwischen Haydns Tradition und Beethovens Bedeutungsschwere in der Dritten immer wieder unter.
Über Herreweghe und die dritte Sinfonie sprechen Adele Jakumeit und Myriam Rosenkränzer im Kollegengespräch vom 15.12:
Das ungekürzte Interview mit Philippe Herreweghe lässt sich hier nachhören: