Schuhe vor der Tür. Götter an der Tempelwand. Gospelchor. Das Theaterprojekt Urban Prayers wird an sechs religiösen Stätten während der Ruhrtriennale gespielt. Die Bühnen sind die DITIB-Moschee, das House of Solutions, das Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel, eine Lutherkirche, eine Serbisch-Orthodoxe Kirche und eine Synagoge. Der Regisseur des Theaterprojekts Björn Bicker spricht über das Konzept von Urban Prayers.
terzwerk: Herr Bicker, in Ihrem Projekt Urban Prayers stellen Sie den gläubigen Bürger in den Vordergrund. In der Öffentlichkeit gelangen religiöse Gruppen eher durch negative Schlagzeilen in den Fokus, wenn es zum Beispiel um Gewalt und Terror geht. Warum ist es Ihnen wichtig, die religiösen Gruppen, die im Ruhrgebiet leben, auch außerhalb von Grundsatzdiskussionen zu Wort kommen zu lassen?
Bicker: Um als Gesellschaft zu funktionieren, brauchen wir Kommunikation zwischen allen Schichten. Aber anstatt miteinander zu reden, wird viel übereinander geredet. Es gibt viele Vorurteile untereinander, die selten hinterfragt werden. Während meiner Recherche habe ich erkannt, dass es beispielsweise eine fatale Kopplung zwischen Islam und Gewalt und Terror gibt. Moslems müssen sich von Gewalttaten distanzieren und für etwas rechtfertigen, was sie gar nicht mit ihrer Religion verbinden und mit dem sie persönlich nichts zu tun haben. Und an dem Punkt will ich ansetzten: von der Position von Gläubigen berichten, die sich mit vielen Vorurteilen konfrontiert sehen.
terzwerk: In dem Chor der gläubigen Bürger lassen sie alle Religionsgruppen gemeinsam sprechen. Dabei gibt es ziemlich wenig Konsens.
Bicker: (lacht) Der Chor spiegelt doch ganz gut unsere vielfältige Gesellschaft wider, die sich permanent in Aussagen und Meinungen widerspricht. Dass kein Konsens unter den Religionsgruppen herrscht, ist nicht zwangsläufig das Problem unserer Gesellschaft. Normale Gläubige (damit schließe ich Radikale aus), wie gläubige Christen, Muslime, Juden, Freikirchler, Hindus, Buddhisten usw. haben sehr viel Respekt vor Andersgläubigen und akzeptieren, dass sie mit Andersgläubigen in der Gesellschaft leben. Den Hauptkonflikt sehe ich viel mehr bei säkular ausgerichteten Bürgern, die weil sie mit Religion nichts anfangen können, bei Vorurteilen hängen bleiben anstatt weiter zu denken.
terzwerk: Wie ist denn Ihr Ansatz, die Menschen zum Weiterdenken anzuregen?
Bicker: Wir wollen Orte der Begegnung schaffen. Das Theaterprojekt ist viel mehr als die Inszenierung meines Textes. Das ChorWerk Ruhr hat sechs Lieder einstudiert, die an allen Orten aufgeführt werden und jede Gemeinde hat sich überlegt, wie sie ihre Gäste empfangen will und wie sie mit den Leuten in Kontakt tritt. Ein ähnliches Projekt gab es auch schon in München.
terzwerk: Können Sie sagen, was Sie persönlich aus dem Projekt mitgenommen haben?
Bicker: Ich habe vor allem Menschen getroffen, die versuchen ihr bestes zu geben, um in der Gesellschaft positiv zu wirken – das waren die Good News, auf die ich in den Nachrichten warte und die im öffentlichen Diskurs kaum angesprochen werden.