Klaviertrio der Bochumer Symphoniker überzeugt mit Virtuosität und Einfühlsamkeit
Bild: © Jonathan Reischel
Endlich ist es soweit! Voller Elan mache ich mich am Sonntag, 11. Oktober 2020, auf den Weg nach Bochum ins Anneliese Brost Musikforum Ruhr. Mendelssohns und Rachmaninoffs 1. Klaviertrio sowie die Halvorsen-Passacaglia stehen auf dem Programm. Stücke, die ich schon immer mal live hören wollte. Vorweg noch ein gediegenes Haydn-Trio und der Rundumschlag durch die Literatur des Klaviertrios ist perfekt. Ich rätsele zunächst noch über die musikhistorischen Zusammenhänge der ausgewählten Werke, wenig später werden sich mir die Gemeinsamkeiten in der Musik selbst offenbaren. In der Kammermusikreihe BoSy Camera schichten sich an diesem Abend Iwona Gadzala (Geige) und Oliver Linsel (Violoncello) von den Bochumer Symphonikern mit Mariko Sudo (Klavier) zum Dreiklang, manchmal in schillernder Dur-Terz, manchmal in tieftreffender Moll-Terz.
Darf ich bitten? Mit Joseph Haydns G-Dur Trio Hob. 25 beginnt der Abend höflich und vornehm. Die Bogenstriche bei Iwona Gadzala und Oliver Linsel sind wohl überlegt und kontrolliert, Mariko Sudo am Klavier hält sich typisch klassisch im Hintergrund. Schon in den ersten Takten beweisen die drei, wie gut sie sich auch musikalisch kennen. Seien es die melodischen Basslinien, die in Cello und Klavier kaum unterscheidbar ineinanderfließen oder das Thema der Violine, das Mariko Sudo mit der gleichen Klangfülle wie die Geigerin aus dem Flügel webt. Im 3. Satz fegt das Trio durch die deutlich wahrnehmbaren ungarischen Volksweisen und zeigt, welche schwungvolle Richtung im weiteren Verlauf des Konzerts noch eingeschlagen wird. Zusätzlicher Zeuge: Iwona Gadzalas gerissenes Bogenhaar. Bravo!
Bild: © niekverlaan/pixabay.com
Nun eine kurze Unterbrechung. Ich brauche sie auch, der Tanz war wild. Als die Musizierenden zurückkehren, erleben wir alle musikalisch und emotional einen Zeitsprung. Mit Sergei Rachmaninoffs Trio élegiaque Nr. 1 in g-Moll geht es melancholisch weiter. Über den unruhigen Repetitionen der Streicher stellt das Klavier das Thema vor und reißt einen sofort in die beklemmende Stimmung des einsätzigen Trios hinein. Kurz darauf übernimmt die Geige das Thema vom Cello. Vibrato, Bogengeschwindigkeit und Agogik könnten nicht besser übereinstimmen. Das ist Kammermusik auf höchstem Niveau! Außerdem demonstrieren die Streicher in diesem Stück ihre komplette dynamische Bandbreite vom verunsicherten Pianissimo bis zum tragischen Fortissimo. Oliver Linsel setzt sich mit seinem sanften reinen Ton stets gegen die anderen beiden durch, wohingegen die intensiver gestrichenen Töne Iwona Gadzalas stellenweise etwas mehr überzeugen. Der Satz wird schließlich immer schwerer und düsterer bis der letzte Klavierakkord liegen bleibt. Mariko Sudo hält ihn fast bis zum Verklingen aus und drückt einen förmlich zu Boden – atemberaubend in mehrfacher Hinsicht!
Zur Abwechslung pausiert das Klavier. Mein Streicherohr freut sich auf Johan Halvorsens Passacaglia in g-Moll, ein Duo für Violine und Violoncello. Es handelt sich um Variationen über ein Thema von Georg Friedrich Händel, die den Musizierenden einiges abverlangen. Neben ihrer berührenden Tonschönheit verschaffen die beiden ihrer Virtuosität Raum in Passagen mit Doppelgriffen, geworfenen Bögen und ponticello-Klängen. Die unterschiedlichen Charaktere der Variationen arbeiten sie neben der Artikulation insbesondere im Tempo heraus. Damit verleihen sie dem Stück ihre eigene, lebensbejahende Note.
Bild: © Pexels/pixabay.com
Der Abend endet mit meinem Highlight: Felix Mendelssohn Bartholdys 1. Klaviertrio in d-Moll op. 49, hier in einer frischen Interpretation, die das Werk in ihrer Spielweise eher in die Richtung der Klassik als der Romantik rückt. Oliver Linsel beginnt mit dem Thema in einer entstaubten Version, die Luft zum Atmen lässt. Auch in diesem Stück verschmilzt das Cello wieder auf sonore Art und Weise mit dem Klavier, während Iwona Gadzala schimmernd über den anderen beiden hinwegstrahlt. Der 2. Satz greift wehmütige Elemente aus dem Rachmaninoff Trio wieder auf, aber immer mit hoffnungsvollen Wendungen. Im Klaviervorspiel schmeichelt Mariko Sudo den Sinnen erneut, wenn sie die Taktstriche mal nach links, mal nach rechts verschiebt, ehe sie an die Streicher übergibt. Während die Geige schwelgt, bereitet ihr Oliver Linsel einen festen Untergrund mit seinem breiten, mit dem Daumen gezupften Pizzicato. Das anschließende Scherzo holt die Energie mit einem Augenzwinkern zurück in den Saal und schlägt den Bogen zu Haydns Finalsatz vom Beginn. Insbesondere Mariko Sudo beeindruckt zum wiederholten Mal, wenn sie fast ohne Pause in Sechzehnteln durch den Satz perlt. Im Finale wird es nochmal dramatisch – flächig, mit viel Pedal gestaltet die Pianistin den Anfang. In diesem Satz kann sich Oliver Linsel mit seinem umarmenden Ton vielfach in den Vordergrund spielen und seine Qualitäten in den vielen schönen Linien für Cello ausspielen. Iwona Gadzala gesellt sich auch in diesem Satz als kooperative Kollegin dazu.
Insgesamt erlebe ich einen grandiosen Kammermusikabend. Die drei Musizierenden treten spürbar als Einheit auf, was sie in der übereinstimmenden Themengestaltung, verschmelzenden Klangfarben und gegenseitigen Blickkontakten zeigen. Ihr schlichter, warmer Grundklang kommt ohne intensive Klangfarben aus, passt aber zur Werkauswahl und ist einfach nur schön. Genauso dezent geschminkt interpretieren sie die Werke, was die Musik durch sich selbst wirken lässt.
Hintergrundbild: © rihaij/pixabay.com
Beitragsbild: © Jonathan Reischel