Pariser Luft schnuppern

Endlich geht es los. Schon seit Beginn des Semesters freue ich mich auf diese Reise. Fünf Tage Musikstadt Paris. Im passenden Seminar haben wir neues über die Schauplätze des Pariser Musiklebens im 19. Jahrhundert gelernt. Jetzt sitzen wir, eine Gruppe von 22 Studierenden des Musikinstituts der TU Dortmund und zwei Professoren, gemeinsam im Thalys nach Paris. Uns steht ein volles Programm bevor. Mit Vorfreude verbringen wir die nächsten fünf Stunden im Zug, bis wir an unserem Hostel ankommen.

Musée de la musique

Gemeinsam besuchen wir das Musée de la musique. Auf insgesamt vier Stockwerken befinden sich unterschiedlichste Instrumente. Darunter Gitarren, Klaviere und Cembali. Zudem Geigen und Celli aus den 1700er Jahren. Einige Instrumente stechen besonders hervor. Darunter die Stradivaris–Geigen, die mit mehreren Millionen Euro die wertvollsten Saiteninstrumente auf dem Markt sind.

Außerdem steht im Museum das größte Streichinstrument der Welt: der Oktobass. Das 3,45 Meter hohe Instrument ist über 100 Kilo schwer und wird mit Pedalen und Hebeln bedient. Es existieren nur wenige historische Exemplare.

Sogar ein Theremin befindet sich am Ende der Ausstellung zum Selbstversuch. Das elektronische Musikinstrument wird berührungslos mithilfe der Übertragung zweier Elektroden gespielt. Auffällig ist die Mühe, die in die Gestaltung der Instrumente geflossen ist. Einige Celli haben kunstvoll verzierte Griffbretter und geschnitzte Köpfe anstatt der üblichen Schnecke. Die Cembali wiederum begeistern durch bunte Zeichnungen von der Jagd oder Inschriften. Auch die Gitarren sind mit Mustern bezeichnet und sogar im Inneren des Korpus befinden sich filigrane Schnitzereien.

Pariser Konzertleben

Die Philharmonie de Paris ist der größte Konzertsaal in Paris für klassische Musik. Am zweiten Abend findet dort das erste von zwei Konzerten statt, die wir in Paris besuchen. Das Orchestre de Paris spielt die Suite für Varieté-Orchester. Danach geht es weiter mit dem zweiten Cellokonzert von Schostakowitsch und der Solistin Sol Gabetta. Klaus Mäkelä dirigiert das Orchester und beweist mit Enthusiasmus sein Können. Nach der Pause hören wir Belshazzar’s Feast von William Walton mit dem Chor des Orchester.

Unser zweites Konzert führt uns zur Maison de la Radio, das den öffentlichen Hörfunksender Radio France beherbergt. Zu Beginn singt ein Ensemble das A Capella-Stück „Lux Aeterna“ von György Ligeti. Die Notenständer sind im Kreis angeordnet. 16 Frauen und Männer betreten die Bühne. Die Konzentration ist bis in die letzten Reihen zu spüren. Durch die vielen Einzelstimmen, die zu einer gemeinsamen Klangfarbe verschmelzen, ist das Stück sehr anspruchsvoll. Die Stimmen setzen ein und es entsteht ein einzigartiges Klangerlebnis. Die Eindrücke von uns unterscheiden sich stark: Die einen empfinden das Werk als meditativ und sind begeistert von der komplexen Einfachheit, andere können keinen direkten Zugang finden. Nach der Pause geht es weiter mit Janacek und Lutoslawski.

Maison de la Radio

Mein persönliches Highlight der Reise ist der Besuch in der Nationalbibliothek. In dem pompösen Gebäude dürfen wir originale Manuskripte nicht nur sehen, sondern auch anfassen. Von zwei Frauen werden wir in ein kleines Hinterzimmer geführt. Neben sich schieben sie einen Servierwagen, auf dem mehrere Manuskripte, Bücher und Stoffrollen liegen. In der Mitte des Raumes befinden sich Holztische in U-Form. Wir werden gebeten uns hinzusetzen und warten gespannt.

Wir sehen das Requiem von Hector Berlioz, Notizen von Messiaen, „La mer“ von Debussy und Notierungen von Ravel. Noch dazu dürfen wir ein Buch aus dem 14. Jahrhundert durchblättern. Das Papier hat eine besondere Qualität – es besteht aus der Haut ungeborener Kälber. Es ist kaum vorstellbar, Dokumente aus so entfernter Zeit in den eigenen Händen zu halten.

Besonders faszinieren mich die Notierungen von Berlioz. Seine Schriften wirken zu der Musik selbst wie ein eigenes Kunstwerk. So entsteht das Gefühl ihm ganz nahe zu sein. Berlioz hat teilweise ganze Notenzeilen überklebt und ausgebessert. Sein Schaffen und  Gedankenprozess lässt sich fast greifen und nachempfinden. Auf der Rückfahrt schaue ich mir im Internet seine Unterschrift an und vergleiche sie mit meinem Foto vom Original. Sie stimmen tatsächlich überein.

Abtauchen in entfernte Jahrhunderte

Zu weiteren Programmpunkten gehört der Besuch in der Opéra Garnier, dem größten Theaterbau der Welt. Die Architektur begeistert durch Marmorstein, bunt bemalte Decken und goldene Details.

In der Kirche Saint Sulpice treffen wir den weltbekannten Organisten Daniel Roth. Die Besonderheit: In der Kirche befindet sich eine der Cavaillé-Colle Orgeln. Es existieren nur noch wenige dieser Orgeln im Originalzustand, da viele mit der Zeit verändert oder zerstört wurden. Zwei Kommilitonen dürfen sich an der Orgel ausprobieren.

Es waren Tage voller neuer Eindrücke und alter Geschichten. Paris ist eine wundervolle Stadt, um tiefer in die Musikgeschichte einzutauchen und die gelernte Theorie in der Praxis zu erleben. Mein Interesse am Pariser Musikleben wurde weiter gesteigert und ich bin mir sicher, dass es für viele von uns nicht die letzte Reise nach Paris gewesen ist.

À bientôt, Paris!

Fotocredits: privat

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