Fragil, unfertig, dem Tode hörbar Nahe. Die Fragmente Mozarts wirken nackt. Der zeitgenössische Komponist Georg Friedrich Haas lässt dieser musikalischen Zerbrechlichkeit ihren Raum. Umrahmt und durchwebt sie mit sieben Zwischenspielen, die er Klangräume nennt. Metaphorisch betrachtet findet sich der Zuhörer in einer musikalischen Bildergalerie wieder, in der die zum großen Teil unfertigen Skizzen Mozarts hängen. Dazwischen wird jede Skizze kommentiert, weitergedacht aber keinesfalls vollendet.
Denn vollenden konnte Wolfgang Amadeus Mozart sein Requiem nicht. Er starb vor der Fertigstellung seiner Arbeit. So gerne hätte die Nachwelt ein fertiges symbolisches Werk seines Vermächtnisses gehabt. Umso nachvollziehbarer erscheint daher der Versuch, die vorhandenen Fragmente musikalisch weiterzuführen. Aber lässt sich Mozarts Genie zu Ende denken? Der Mozart Schüler Franz Xaver Süßmayr setzte sich bereits mit dieser Aufgabe auseinander, mit durchaus umstrittenem Erfolg. Das als Auftragswerk begonnene Requiem musste fertig gestellt werden, damit Mozarts Witwe das volle Honorar verlangen konnte. Süßmayrs Zusätze haben bei weitem aber nicht die Qualität seines Meisters.
Der Ansatz sich von Süßmayrs Einmischung künstlerisch frei zu machen erscheint richtig und legitim. Mozart Requiem/Sieben Klangräume – Ein puristischer Titel und doch passt gerade diese Einfachheit zum Konzert der Ruhrtriennale in der Maschinenhalle der Zeche Zweckel in Gladbeck. Protagonisten des Abends waren das ChorWerk Ruhr, die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Florian Helgath, sowie die Solisten Sibylla Rubens (Sopran), Ingeborg Danz (Alt), Dominik Wortig (Tenor) und Tareq Nazmi (Bass).
Im Programmheft wird das Konzept des Abends anhand eines Flügelaltars beschrieben. In der Mitte der Hauptaltar, mit den an der Seite ausklappbaren, umrahmenden Flügeln. In diesem Fall: Das Mozart Requiem mit Haas’ Klangräumen als Zentrum. Umrahmt von den György Ligeti Werken Ramifications und Lux aeterna, sowie dem Bachchoral Komm, Jesu, komm. Thematisch und dramaturgisch ein nachvollziehbarer Ansatz, aber ohne die Umrahmung wäre das Konzept besser aufgegangen. Die filigranen Ligeti Kompositionen wirkten zeitweise wie ein unerreichbarer Maßstab für Haas’ Klangräume.
Textlich hält sich Georg Friedrich Haas in seinen Zwischenspielen an eine Antwort eines Wiener Magistraten auf die Bitte Mozarts, den Domkapellmeister unentgeltlich vertreten zu dürfen. In verschiedenen Formen kehrt dieser, in hochgestochenem Beamtendeutsch gehaltene Text in den einzelnen Klangräumen wieder und setzt einen ernüchternden weltlichen Kontrast zu Mozarts innigen, verletzlichen Kompositionen. Dadurch wirkt die Gewissheit des baldigen Endes fast sehnsüchtig. Der schroffen, kalten Welt mit allen irdischen Sorgen will entflohen werden.
Genau so hart und ernüchternd wirken die sieben Klangräume von Haas, wenn sie unvermittelt in die Harmonik Mozarts einbrechen. Mehr denn je wirkt die Musik Mozarts dadurch fragil, ernüchternd und endlich.