Der Schneekugel-Seehund sagt:
Schluss mit winkenden Queen-Püppchen, Plastikmagneten und Glitzershirts.
Musik ist das bessere Andenken!
Marie König hat aus jedem ihrer Urlaubsorte ein Musikstück mitgebracht
und daraus ein Mixtape kreiert: Den terzwerk-Musiksouvenirshop.
Das schlimmste Urlaubssouvenir ist eine Tasche. London steht darauf, oder Hamburg oder Madrid, und zwar in den immer gleichen Lettern. Über die ganze Fläche verteilt, London, London, London, London, London. Es gibt Taschen, auf denen der Städtename in weiß gedruckt wurde. Nur an einer Stelle, da kreischt ein roter Schriftzug, dass die Taschenträgerin in LONDON war.
Nicht nur die Hässlichkeit dieser Taschen ist kaum zu ertragen. Es gibt auch nichts Unnötigeres als ein Mitbringsel aus dem Urlaub, das man in genau der gleichen Ausfertigung auch aus allen anderen Städten der Welt nachhause schleppen könnte. Und nach drei Wochen Ruhrgebiet fühlt sich die Tasche sowieso nicht mehr nach dem London-Urlaub an.
Am besten lässt sich das Urlaubsgefühl immer noch mit Musik beschwören. Deshalb nun meine ganz persönlichen Musik-Andenken: Stücke, die ich mit den Orten, den Menschen und den Erlebnissen dieses Sommers verbinde.
Kaffee, Sitzplatz und gute Musik: Die Reise kann losgehen! Im ersten Satz von Mendelssohns vierter Sinfonie klingt alles nach Aufbruch und sprudelnder Lebenslust. Da lässt sich sogar der überfüllte ICE aushalten.
Die Partita For 8 Voices von Caroline Shaw passt ausgezeichnet an den Flughafen. Am Anfang erinnert das Stück an lautes Stimmengewirr in der Abflughalle. Auf einmal löst sich aus dem Gemenge ein herrlicher Akkord und das Stück rauscht los. Kopfhörer rein und abheben!
London, London, London, London war mein erstes Reiseziel.
Als größter Komponist dieser Stadt – und ganz Englands – wird Georg Friedrich Händel gehandelt. Seine Concerti Grossi op. 3 hat er für ein »royal wedding« komponiert, und zwar das von Prinzessin Anne und dem Prinzen von Oranien im Jahr 1734. Mit dieser Musik im Ohr über eine Themse-Brücke zu schreiten, das hat schon was. Für eine vollständige Überquerung braucht man aber mindestens drei Sätze.
Der Anlass für meine London-Reise war das allerletzte Konzert des Radiosinfonieorchesters Stuttgart des SWR. Das Orchester wurde über den Sommer mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg fusioniert und verabschiedete sich in London von seinem Publikum; in der Royal Albert Hall bei den BBC Proms.
Ein fantastisches Konzert, das in Wehmutstränen endete… Kein Wunder, da als Zugabe auch noch Edward Elgars Nimrod aus den Enigma-Variationen gespielt wurde.
Auf Stadtluft folgte See-Romantik: Eine Woche im südösterreichischen Kärnten. Dorthin hatte sich bereits Gustav Mahler vor dem Wiener Trubel zurückgezogen. Im Wald oberhalb des Wörthersees steht sein Komponierhäusl, von dem aus man durch eine eigens geschlagene Waldschneise auf den See blicken kann. Auf den zwanzig Quadratmetern Holzhäuschen schuf er einige große Sinfonien und seine Kindertotenlieder. Die volkstümlich-idyllischen Passagen des ersten Satzes der vierten Sinfonie passen wunderbar in die Kärntner Landschaft.
Auch Johannes Brahms schätzte die Inspiration eines eigenen Domizils in der Sommerfrische. Das süße Häuschen liegt in Lichtenthal bei Baden-Baden und in der Nähe meiner Verwandtschaft. Hier vollendete Brahms seine erste Sinfonie, für die er 18 Jahre gebraucht hatte. Durch den dritten Satz streift eine laue Sommerbrise, Waldhörner im nahegelegenen Hain, die Mittagsruhe im Schatten… Doch bald stört ein aufgewühltes Thema die Idylle und erinnert an die tragischen und schicksalshaften Töne der anderen drei Sätze – bevor man am Ende wieder in Heimatklängen schwelgen und sich zu Kaffee und Kuchen unter den Apfelbaum setzen darf.
Zum Abschluss meines Sommers zog es mich noch für ein paar Tage nach Berlin. Einer der Bach-Söhne, nämlich Carl Philipp Emanuel Bach, diente hier sehr lange Zeit bei Friedrich II. Bei Hofe komponierte er auch das feine Oboenkonzert. Zwar lässt sich über eine Spreebrücke nicht ganz so royal schreiten – doch dieses Konzert hört sich auch ausgezeichnet in einem Kreuzberger Hinterhof.
Beim Verklingen der letzten Barockorchesternote ist schon September und der Sommer vorbei. Doch bevor ich mich der nach Dahlien, Tee und Kerzen duftenden Melancholie hingebe: Der ultimative Herbst-Traurigkeits-Überwindungssong von Earth, Wind & Fire. Der Koffer ist ausgepackt, die Bräune verblichen – aber die Musik erinnert uns daran, dass es einen nächsten Urlaub geben wird.