Hinter welchem Türchen wartet die Auferstehung?

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Foto: Martin Grommel

Gute zehn Sekunden Stille hält das Dortmunder Konzerthauspublikum aus, nach dem verhallenden Schlussakkord. Ergriffenheit oder Überforderung? Das fragt man sich, nachdem Glocken, Orgel, Fernorchester und großer Chor samt Klopstock-Text und Solistinnen die Auferstehung feierten. Alle Überwältigungsregister wurden gezogen. Trotzdem zog dieser Moment recht unfeierlich und rasch vorbei. Viel Zeit nahm sich Dirigent Daniel Harding für Totenfeier und Mittelsätze und dann folgt ein geradezu gehetztes Finale.

Gustav Mahlers zweite Sinfonie „Auferstehung“ war und ist immer ein Publikumsrenner. Die zwischen 1887 und 1894 geschriebene Sinfonie schwankt reizvoll zwischen wuchtiger Hymne und tiefgehender Abgründigkeit. Zwischen Religiosität und Naturgewalt. Mal ist es ein Showstück, mal etwas Mystisches. Realisten und Impulsive können sich gleichermaßen ausleben und sich mal in dramatischen Beinahdissonanzen, mal in lyrischen Episoden suhlen. Dabei kommen im großen Chorfinale bei den Dirigenten ganz unterschiedliche emotionale Regungen zum Vorschein:

An diesem Abend im Konzerthaus Dortmund betont Daniel Harding vor allem die Vielfalt und Abgerissenheit des Werks. Er sucht nicht die rote Linie zwischen grausigem Totentanz und lieblichem Alt-Solo, sondern richtet für jeden Abschnitt eine eigene Dramaturgie ein. Das macht das Werk überraschend und jede Stelle zuhörenswert, splittet Mahlers bruchstückhaftes Werk aber noch weiter in Kleinteile. Wenn die Blechbläser im ersten Satz mit schrägen Clustern durch alle Knochen fahren, tun sie das im Finale auf andere Weise, als hätte es die erste Passage nie gegeben. Kein Satz lernt in irgendeiner Weise vom Vorherigen. Harding dirigiert mit großer Geste, ist dabei aber eigentlich stets ein akribischer Detailarbeiter.

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Foto: Petra Coddington

Dabei scheint er stets das Tragische in der mächtigen Sinfonie zu suchen und vorzubereiten und findet es, zumindest ganz offensichtlich, im Kopfsatz. Der ist ein tiefgehendes Erlebnis: Hier schaben die Kontrabässe geradezu schicksalstriefend, jeder Aufschrei sitzt und es gelingen Spannungslinien aus dem pianissimo, die nicht abreißen. Das Mystische, sowie auch das Feierliche, scheinen Harding und seine Musiker manchmal lieber etwas rascher abarbeiten zu wollen. Bernarda Fink setzt ihren warmen, transzendenten Ton im „Urlicht“ dagegen, später wird sie im Duett mit der ebenfalls wunderbar klingenden Christiane Karg mehr gehetzt, als das die Stimmen der beiden Sängerinnen ihre volle Wirkung erreichen, und der Erlösungstext das Publikum wirklich berühren könnte.

Die Musiker des Mahler Chamber Orchestra (MCO), und die unterstützenden Teilnehmer der Orchesterakademie des MCO, finden gut zusammen. Die vielen kleinen solistischen Stellen in Flöten und Klarinetten gelingen treibend und lebendig. Einzig in den Blechbläsern knarrt es manchmal ein etwas daneben.

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Foto: Molina Visuals

Diese dürfen sich zum großen Finale immer wieder in kleinen Grüppchen vor den Saaltüren postieren. Der Fernorchestereffekt gelingt: Mal erschallen die Fanfaren gedämpft, dann öffnet sich eine Tür, und das jüngste Gericht scheint von oben in den Saal zu strahlen. Und trotz aller Effekte und spielerischer Brillanz: Selten ist eine Mahlersche Schlussapotheose so schnell verhallt, sicher lag das nicht am stimmgewaltigen Projektchor des MCO. Harding sucht die Erlösung nicht am Ende, sie kann in seiner Interpretation, die an manchen Stellen druckvoll Bedeutung erzwingen will, nur im kleinen Werkteilpuzzle zu hören sein. Das ist ungewohnt und erklärt vielleicht das erst ratlos-ergriffen stumme, dann begeisterte Publikum.

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