Ein Abend voller Magie dank Giant Rooks
Seit Tagen laufen die Songs von Giant Rooks bei mir rauf und runter. Die Vorfreude war groß, nachdem ich die Jungs vorletzten Sommer beim Juicy Beats Festival in Dortmund gerhört habe und völlig begeistert war. 2014 gegründet, waren die erst Anfang 20-jährigen Jungs seit ihrem Durchbruch 2016 u.a. als Support für die Mighty Oaks, Kraftklub und The Temper Trap – große Namen in der Indie-Pop-Branche – unterwegs und gingen zuletzt mit AnnenMayKantereit auf Tour. Im April dieses Jahres folgte dann die Veröffentlichung ihrer zweiten EP „Wild Stare“. Mit einer Klangmischung aus Indie, Folk, Rock, Pop und elektronischen Einflüssen haben die fünf Musiker ihren ganz eigenen Stil entfaltet. Entgegen des Trends der deutschen Popmusikbranche schreiben sie ihre Songs ausschließlich in englischer Sprache. Giant Rooks selbst bezeichnen ihre Musik als “Art-Pop”. Ihr Sound ist erkennbar inspiriert von ihren Vorbildern “alt-J”, einer erfolgreichen Band aus Großbritannien, und der kanadischen Rockband “Arcade Fire”.
Die Texte sind teils sehr poetisch und nachdenklich, im klassischen “Indie-Stil”, aber trotzdem absolut tanzbar. Ein Beispiel: “Mia & Keira (Days to Come)”. Hier geht es um innere Zerrissenheit, es ist ein melancholisches Liebeslied. Trotzdem geht der Song nach der ersten Strophe total ab. Durch ein energisches Schlagzeug und ein Gitarrenriff wird ein flüssiger Übergang zum melodiösen Refrain gebaut. Der Text wird musikalisch so verpackt, dass der Song sowohl zum Nachdenken als auch zum Tanzen einlädt. Dieser Mittel bedienen Giant Rooks sich in vielen ihrer Songs – und das kommt an.
Just like the cliffs at seaside
I lay my head against the search of todays work
The warm colours you’ve spread
Through my house and my rooms
Were deceased too
You’d ask me not to drown deep
I’m feeling just too close to you
And fear
And we’re thinking of life’s stories
The fever keeps around
And me and you
This is for days to come
With no one else to blame
Sorry for this mess to rearrange
This is for days to come
You hold it in your hands
Desolation leads me again and again
Auf ihrer “Wild Stare” Tour durch Europa präsentieren die fünf Jungs jetzt ihre neue, gleichnamige EP. Das ausverkaufte Konzert im Skaterspalace in Münster beginnt mit einem ungewöhnlichen 36-sekündigen Song, der wie eine Art Teaser wirkt: „Cara Declares War“. Begleitet von Vogelgezwitscher, Chorgesang und einer unverständlichen Frauenstimme im Hintergrund folgt ein Ausschnitt aus einer Rede von Cara Delevingne über Gesellschaftszwänge, das Glücklichsein und Depressionen. Daran schließt unmittelbar der Song „100 mg“ an. Sowohl auf der EP als auch live ist der Übergang völlig nahtlos – genial gemacht. Spätestens bei „Wild Stare“ kennt jede*r im Publikum den Text, sodass Frontsänger Frederik “Fred” Rabe das Singen phrasenweise dem Publikum überlässt. Kein Wunder! Der Titelsong der EP, der im Dezember veröffentlicht wurde, ist ihr meistgehörter auf Spotify. Sowohl die Strophe als auch der Refrain sind textlich ebenso wie musikalisch ziemlich eingängig.
Die sympathische Band aus Hamm spielt meistens für ein alterstechnisch gut durchgemischtes Publikum. Den Münsteranern begegnen sie auf Augenhöhe. Während der Show mischt Fred sich unters Publikum, um von dort aus gemeinsam mit der Menge zu singen. Nicht nur die Hardcore-Fans ganz vorne, sondern die ganze Halle tanzt ausgelassen zur Musik. Fred erzählt davon, dass er während seiner Jugend viel Zeit im Skaterspalace verbracht hat, der tagsüber als Skatehalle genutzt wird.
„Damals hätte ich nie gedacht, dass ich heute statt mit meinem Skateboard mit meiner Gitarre hier stehen würde!“
Giant Rooks, die ihren Job alle ziemlich ordentlich beherrschen, nutzen die Bühne, um zu experimentieren. Sie testen neue Songs und Arrangements aus. Besonders gepackt hat mich ein bisher nicht veröffentlichter Song – ein atmosphärisches Duett zwischen Fred und Gitarrist Finn Schwieters, in dem es um Familie und Selbstfindung geht. Ich bin gespannt, ob ich den Song in der nächsten Veröffentlichung wiederfinde! Der Frontsänger überzeugt außerdem nicht nur mit seiner einprägsamen, tiefen und an manchen Stellen kratzigen Stimme und an der Gitarre und am Keyboard. In längeren instrumentalen Zwischeneinlagen stellt der Multiinstrumentalist sein Talent an diversen Trommeln unter Beweis.
Ob Festival oder Konzert, die Musik, die Texte und die Band laden zum Tanzen, Träumen und Tränenvergießen ein. Das Live-Set ist unbedingt lohnenswert. Wenn ich mir vor Augen führe, dass die fünf Hammer erst vier Jahre als Band existieren und am Anfang ihrer 20er Jahre stehen, werde ich sprachlos. Wann ihre erste LP folgt, ist noch nicht klar. Ich bin gespannt und freue mich unheimlich darauf, ihre Entwicklung weiter zu verfolgen.
Wer sich selbst überzeugen möchte, kann die Band beim Juicy Beats Festival Ende Juli in Dortmund live erleben!