Gesichtserkennung im Konzert – Datenschutz adé?

Kommentar

© Florian Rendchen

Die amerikanische Sängerin Taylor Swift setzte bei einem ihrer Konzerte Gesichtserkennung ein, um ihr Publikum zu identifizieren. Dies berichtet der Sicherheitsexperte Mike Downing in der Musikzeitschrift “Rolling Stone”. Swift wollte damit mögliche Stalker unter ihren Fans finden. Dafür stellte sie das ganze Publikum erst einmal unter Generalverdacht. Keiner, der während der Veranstaltung auf den großen Multimediabildschirm geschaut hatte, entkam ihrer Technik. 90000 Menschen hatten ihr am 18. Mai zugehört und standen unbewusst selbst auch im Mittelpunkt.

Erst sieben Monate später kommt ihr Verhalten ans Licht. Fast wäre sie damit ohne öffentliche Diskussion durchgekommen. Die Sängerin berichtet seit Jahren von Drohungen und Drangsalierungen durch Teile ihrer Fangemeinde. Deshalb habe sie zu dieser Maßnahme gegriffen. Dennoch stellt die Gesichtserkennung einen Dammbruch in der Kulturszene dar. Auch der Konzertbesuch ist nun also Teil des überwachten Raums.

Die letzte Bastion der Freiheit könnte fallen

Dabei waren sich Künstler und Publikum doch über lange Zeit einig: Die Kunst und Kultur sind Mittel des freien Ausdrucks einer Leidenschaft und unerlässlich für die Demokratie. Die Theater, Künstler und Musiker wehrten sich in ihren Inszenierungen bisher oft gegen “Die da oben”, die mit immer neuen Mitteln den Überwachungsstaat forcieren würden. Die letzte Bastion der Freiheit könnte nun fallen. Der Fall Taylor Swift könnte Nachahmer auf sich ziehen und Auswirkungen auf die ganze Branche haben. Die Szene hat nun die Chance, sich im Lichte der freiheitlichen Grundgesinnung zu positionieren und die zunehmend überwachte Welt da draußen zu kritisieren.

In der Welt des Konzerts ist Gesichtserkennung noch nicht Standard – zumindest nicht bei uns. In China muss dagegen keiner mehr überrascht sein, wenn er neben der Überwachung auf der Bahnfahrt in die nächstgrößere Stadt und der Taxifahrt zum Konzerthaus auch noch im Konzert beobachtet werden würde. Das Land bewertet seine Bürger neuerdings anhand eines Punktesystems, das jeder Person eine individuelle Bonität zuweist. Die Technik ist mittlerweile gut genug geschärft, um Stimmung und Einstellungen zu erfassen – vor allem aber auch evtl. Kritik an der kommunistischen Partei.

Warum noch zögern?

In Deutschland sind wir noch nicht so weit. Hier ist die Gesichtserkennung bisher nur zu Testzwecken erlaubt. Im öffentlichen Raum gab es zuletzt ein Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz. Die Berliner Polizei richtete dazu zwei getrennte Eingangsbereiche ein, bei denen man wählen konnte, ob man gescannt werden will oder nicht. Organisationen wie netzpolitik.org kritisieren selbst solche Testverfahren als Vorstufe zu einer Ausweitung der Gesichtserkennung.

In Berlin wurden nur diejenigen überprüft, die ausdrücklich zugestimmt haben. Was aber, wenn irgendwann keine Alternative mehr besteht? Gesichtserkennung kann so hilfreich sein: Die Kameras vom Internetgiganten Alibaba erkennen ihre Mitarbeiter per Software am Eingang und ermöglichen so reibungslosen Einlass ohne Verzögerungen. Auch das iPhone X erleichtert die Entsperrung des Telefons enorm mithilfe von Gesichtserkennung. Warum also noch zögern, wenn die Technik schon heute überall eingesetzt werden kann?

Die Gesellschaft müsste sich jetzt die Frage stellen, wie sie mit der neuen Technik umgehen will. In den USA, wo die Gesichtserkennung beim Taylor Swift-Konzert zum Einsatz kam, ist alles nach Recht und Gesetz abgelaufen. Die Kritik von Seiten ihrer Fans wird ihr trotzdem nicht erspart bleiben. Der Kampf um die Rechtslage ist dort allerdings bereits verloren.

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