Dass Beethoven auch auf Schrott geht, hat das Jugendprojekt „Scrap4Beethoven“ im Casino der Zeche Zollverein bewiesen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt vom Düsseldorfer Künstler Freeze4U und dem ABA-Fachverband für offene Kinder- und Jugendarbeit. Wir haben mit dem Initiator Björn Frahm („Freeze4U“) über sein Projekt, die Parallelen zwischen Beethoven und Schrott und den besonderen Klang von Felgen gesprochen.
terzwerk: Dein Projekt „Scrap 4 Beethoven“, also „Schrott für Beethoven“, spielt Beethovens Neunte auf Schrott. Ist Beethovens Neunte für dich einfach so schrottig oder warum musste es unbedingt diese Sinfonie sein?
Björn Frahm: (lacht) Beethoven ist vieles. Beethoven war damals schon sehr revolutionär mit seiner Musik und er hat mir schon immer besonders gut gefallen. Wenn man sich mit ihm befasst, merkt man: Da sind Kräfte am Werk, wie Wind und Blätter und die Naturgewalten. Das hat ihn bewegt und inspiriert und das hat auch mich stetig in meinen Songs bewegt. Deshalb wollte ich mich Beethoven, als dem Mann in der Klassik für Deutschland, annehmen. Seine neunte Sinfonie ist natürlich traumhaft schön! Sie geht ans Herz, bewegt Jung und Alt. Für mich war sie der Türöffner zur Klassik.
terzwerk: Wie bist du auf die Idee gekommen, die Sinfonie mit Schrott aufzuführen?
Björn Frahm: Für eine Rockproduktion des Songs „Life Hits Like A Hammer“ habe ich mit einem Hammer auf einen Amboss geschlagen und mir hat der Sound so gut gefallen, dass ich spontan gesagt habe: „Mein Gott, da müssen wir irgendwas mit machen!“ Und dann kam mir auch schon Beethovens Neunte in den Sinn, weil mich Europa gerade sehr beschäftigt und sie mir persönlich sehr viel bedeutet. Die Hauptmelodie, – denn wir haben uns hauptsächlich der Hauptmelodie „Ode an die Freude“ gewidmet – diese spezielle Melodie für Europa hat nicht so viele Töne wie z. B. der Freischütz. Also, das musste doch machbar sein!
terzwerk: Was fasziniert dich denn am Klang des Schrotts so sehr?
Björn Frahm: Dass er sehr brachial ist, dass er wahnsinnig ehrlich ist. Aber manchmal auch sehr verzwickt, das heißt, es gibt Stangen, die haben drei Töne: Mittelton, Unterton, Oberton. Manche klingen aber ganz dumpf. Manchmal kann man auch gar nicht sehen, wie die Stangen klingen, weil es an der Zusammensetzung liegt. Ganz bestimmte Substanzen, die im Metall oder Stahl vorkommen, bringen sie gut zum Klingen oder auch nicht.
terzwerk: Wo ist genau die Parallele zwischen Beethoven und dem Schrott?
Björn Frahm: Zu Anfang hatte ich das Bild vom Schrottplatz: Da liegt Schrott. Aber Schrottplatz, das ist ein Verwerter. Das heißt, dort wird Altmetall getrennt und zurück in den Kreislauf gebracht. Das ist ein ständiger Arbeitsgang: Anliefern, Abfahren, Zerkleinern, Trennen. Schrott ist eins zu eins recyclebar, unendlich. Das ist auch das Schöne an Beethoven. Seine Musik wirkt für die Ewigkeit. Das ist die Parallele. Wir wollen natürlich Beethoven recyceln.
terzwerk: Nach welchen Kriterien habt ihr den Schrott denn ausgewählt?
Björn Frahm: Am Anfang war es sehr schwierig, wir hatten gute, aber auch schlechte Tage. Wenn man bei einer Stange auf den ersten Blick gedacht hat: „Wow, die schwingt gut, die bringt gute Frequenzen!“, dann war das eigentlich gar nicht so. Und so haben wir einfach wild reingegriffen. Wir hatten natürlich nach Wochen so den gewissen Riecher, wo wir wussten: Die Stangen geben uns die hohen Töne, die Rohre klingen etwas und es war klar, dass 10 Meter große Scheiben aus Stahl – wenn man da richtig kräftig draufhaut – auch schon mal einen Bass geben. Das war dann eine Erfahrungssache.
„Felgen sind ein Traum!“
terzwerk: Habt ihr da auch etwas gefunden, was euch total überrascht hat?
Björn Frahm: Ja, uns ist wirklich was vor die Füße gefallen, das hätten wir nicht geglaubt! Wir wollten gerade schon alles einpacken und gehen – wir hatten wirklich einen schwierigen Tag. Und dann sehe ich so ein kleines Stück von einer Trompete in dem Buntmetall – so heißt dieser Berg. Da habe ich dann tatsächlich eine Trompete rausgezogen. Ich habe das Mundstück abgemacht, reingeblasen und erstmal gewusst: „Wow, es kommt noch was raus!“ Ich habe es gar nicht glauben können, es war der helle Wahnsinn! (lacht) An dem Tag habe ich das Mundstück zehn Minuten lang mit Wasser geputzt und konnte schon die Neunte spielen. Wir haben sie dann ultraschallreinigen lassen und uns natürlich auch einen Trompeter besorgt, der sie spielt: Emil Sabelberg.
terzwerk: Und wie genau musiziert ihr jetzt mit den Rohren, den Platten und den Stangen?
Björn Frahm: Auf dem Schrottplatz haben wir den Baggerfahrern, dem Kran und den Greifern verschiedene Anweisungen gegeben. Das heißt, wir haben hier Musik gemacht, indem der Baggerfahrer zwei, drei Rohre aufgenommen und sie auf andere Rohre fallen gelassen hat. Natürlich haben wir auch auf den Instrumenten musiziert. Auf verschiedenen Stangen, Rohren oder – natürlich ganz schön klingend – auch Felgen. Felgen sind ein Traum! (lacht) Und das haben wir dann aufgenommen. Wir spielen nicht alles live bei unserer Performance. Es ist ein Kunst-Medien-Musikprojekt. Somit nehmen wir uns die Freiheit, medial eine Performance mit Livemusik zu präsentieren.
terzwerk: Wie unterscheidet sich denn die Arbeit mit normalen Instrumenten zur Arbeit mit Schrottinstrumenten?
Björn Frahm: Bei normalen Instrumenten habe ich auf jeden Fall eine Klangvorgabe, ob Geige oder Trompete. Ich kann hier jeden Ton so lange ziehen, wie ich möchte. Einen ganzen Ton, halben Ton, Viertelton, wie auch immer. Bei diesen Klängen von Schrott ist es eben so, dass manche nur kurz klingen, manche länger und die Variation ist natürlich eine ganz andere, als wenn ich ein Instrument beherrsche. Ich bin von diesem Instrument Schrott abhängig, wie es klingt, und kann es auch nur so einsetzen.
„Klassik ist auch modern, verrückt“
terzwerk: Bei Beethoven steht in der Partitur ja jetzt nicht „für klingende Rohre“ oder „für den Sägeblatt-Gong“. Wie musste Beethovens Neunte an den Schrott angepasst werden?
Björn Frahm: Da sind wir total frei von allem. Wir haben einfach nur uns und den Schrott, und das haben wir ausgenutzt, indem wir gesagt haben: Das, was wir finden, nehmen wir. Wir komponieren nicht neu. Wir agieren neu, aber eins muss stehen: die Melodie. Alles rund um die Melodie ist Avantgarde.
terzwerk: Wen möchtest du mit diesem Projekt eigentlich erreichen?
Björn Frahm: Wir möchten mit diesem Projekt natürlich jeden erreichen. Ob alt oder jung. Aber speziell ist klar, dass wir ein Signal an die junge Generation senden: „Schaut her, Beethoven geht auch so!“ Wir sind gefördert von der Beethoven-Jubiläums-GmbH, und da gab es verschiedene Punkte: B, der Bonner Bürger, T, der Tonkünstler. Wir sind V, der Visionär. Beethoven war visionär damals und wir wollen visionär sein für heute. Das hat noch keiner gemacht, mit Schrott Beethoven gespielt. Wir machen das und wollen den jungen Leuten zeigen: Klassik ist auch modern, verrückt, und man kann alles miteinander kombinieren!
Bildcredits:
Beitragsbild und Bild im Infokasten: © Björn Frahm
Hintergrundbild: Photo by sergio souza on Unsplash
Foto Björn Frahm: © Björn Frahm
Verrostete Felgen: Photo by Pamela Marie on Pexels