Little Miss Foster

Meryl Streep als Florence Foster Jenkins
Meryl Streep als Florence Foster Jenkins (© 2016 Constantin Film Verleih GmbH)

Googlet man Florence Foster Jenkins, findet man heraus: Sie war eine amerikanische Erbin und Sopranistin. Erst Erbin, dann Sopranistin – das ist symptomatisch. Jenkins wird als “schlechteste Sängerin der Musikgeschichte” bis heute verschmäht, verlacht, verhöhnt – aber auch gefeiert. CDs mit ihren Werken tragen giftige Titel wie »The Glory (????) of the Human Voice« oder »Murder on the High Cs«. Doch die eigentliche Geschichte unter der glitzernden Oberfläche ist eine tieftraurige und berührende, wie ein neuer Film mit Meryl Streep in der Hauptrolle beweist.

Die echte Florence

Florence Foster Jenkins kam 1909 durch den Tod ihres Vaters zu einem nicht unerheblichen Vermögen und hatte damit als 41-Jährige ausgedient. Davor war ihr Leben alles andere als schillernd: Ihr Vater wollte ihren größten Traum, ein Gesangsstudium, nicht finanzieren. So heiratete Florence mit 17 Jahren den Arzt Frank Thornton Jenkins. Eine verhängnisvolle Entscheidung: Er schenkte ihr keine Kinder, dafür aber die Syphilis. Sie wurde mit der damals üblichen Methode behandelt: Quecksilber und Arsen kamen zum Einsatz – hochgiftige Stoffe. Florence verlor ihre Haare und musste für den Rest ihres Lebens Perücken tragen. Man geht heute davon aus, dass die Krankheit und die Behandlung wohl auch ihr Gehör zerstörten. 1902 trennte sie sich von Jenkins und musste sich fortan als ärmliche Klavierlehrerin durchschlagen.

Das historische Vorbild (© Gemeinfrei)

Doch nach dem Tod ihres Vaters nimmt ihr Leben eine Kehrtwende. Sie war nun reich, heiratete den Shakespeare-Schauspieler St. Clair Bayfield und widmete sich fortan vollends ihrer Gesangskarriere. Ihr großes letztes Lebensdrittel war schillernd und ausschweifend – was ihr Image als skurrile und exzentrische Jahrmarktsattraktion formte, die zwar schlecht und schief sang, das aber mit Überzeugung und unerschütterlichem Selbstbewusstsein. Genau dieses letzte Drittel nimmt nun der Regisseur Stephen Frears (Die Queen, Philomena) ins Visier und schafft damit nicht nur eine Hommage, sondern eine Rehabilitation.

Pointen auf dem Silbertablett

Im Alter von 44 Jahren soll Florence nun ihr erstes Konzert im Ritz Carlton geben, ihr zweiter Mann (gespielt von Hugh Grant) ist ihr Manager. Doch dazu fehlt noch der passende Klavierbegleiter, und so tritt Cosmé McMoon, gespielt von Simon Helberg (Big Bang Theory), in ihr Leben. McMoon ist nicht gerade ein Virtuose, spielt aber schön leise. Das reicht. Natürlich soll der Film unterhalten, denn das Leben der Florence Foster Jenkins serviert Pointen auf dem Silbertablett. So spielt Simon Helberg in einer fantastischen Fremdscham-Szene den etwas trotteligen und knabenhaften McMoon, der bei ihren ersten Tönen der höllisch schweren Glöckchenarie aus Lakmé zunächst völlig geschockt ist, dann aber ein schallendes Gelächter unterdrücken muss.

Diese Szenen sind wunderbar subtil gestaltet, Meryl Streep ver-singt tapfer jeden Ton und kommt der echten Florence dabei erstaunlich nah, sodass man sich von Zeit zu Zeit unter dem Kinosessel verkriechen möchte. Simon Helberg spielt nicht nur grandios, er weiß auch das Klavier zu bedienen, ein schauspielerischer Spagat. Doch zum Glück bleibt es nicht nur bei bloßem Klamauk. Meryl Streep ist als Florence Foster Jenkins eine Idealbesetzung: Sie versteht die Rolle zutiefst einfühlsam – naiv-kindlich, aber nicht dümmlich. Sie schafft vielschichtige Dimensionen, über alles Lachhafte und alle floskelhaften Filmklischees hinaus und rehabilitiert die Figur der Florence Foster Jenkins, deren einziger und aufrichtiger Wunsch es letztendlich wahr, die Musik zu leben.

Kitsch sells

Die Beziehung zwischen Florence und ihren zweiten Ehemann wird in den Mittelpunkt gerückt. Er nennt sie “Häschen”, sie antwortet zärtlich “Whitey”. Dass die Beziehungskiste so wichtig ist, wirkt wie ein Zugeständnis an das Massenpublikum: Ein bisschen Kitsch verkauft sich eben. St. Clair sucht sich seine Befriedigung bei einer anderen Frau, da Florence aufgrund ihrer Krankheit keine Körperlichkeit bieten kann. Jetzt wäre es ein Leichtes, den Gatten als geldgierig und unmoralisch abzustempeln, ihn zu verurteilen. Doch Whitey liebt sein Häschen, irgendwie auf seine Art, aber aufrichtig, vielleicht nicht rational erklärbar. Hugh Grant spielt gut, ist aber eine sichere Nummer: In der Rolle des charmanten Kavaliers hat man ihn schon (zu) oft erlebt.

Florence Foster Jenkins (Meryl Streep) mit ihrem Mann und Manager St. Clair Bayfield (Hugh Grant) (© 2016 Constantin Film Verleih GmbH)

Einen wichtigen Punkt der Handlung lässt der Film für breite Deutungen offen: Wurde Florence von ihrem Umfeld belogen und ausgenutzt – oder doch geschützt? Der Schein, den sie sich selbst wahrte – nämlich eine grandiose Sängerin zu sein – wird von Dirigenten (Arturo Toscanini), Publikum (taube Omas mit fürchterlicher Robe) und nicht zuletzt von ihrem Mann bestärkt und befeuert. Dass sie sich selbst völlig anders wahrgenommen haben muss, wird nur kurz angedeutet: Kindlich, hell-timbriert und glasklar, so singt Florence in ihren eigenen Ohren.

Neben aller Komik blitzen durch Meryl Streeps Präsenz immer wieder Nuancen einer tiefschürfenden Tragik durch: “Little Miss Foster” ist eben eigentlich todkrank, lebt schon 50 Jahre mit einer Krankheit, die sonst den sicheren Tod nach 20 Jahren bedeutete. In einer Szene fragt der Arzt nach ihrem Geheimrezept: Es ist die Musik. Die Hochglanzfassade ihres schillernden Lebens bröckelt in der Öffentlichkeit nie, wird aber in den zutiefst intimen und privaten Momenten abgetragen. Trotz aller Federboas, Perlenketten und extravaganten Kostümen zeigt der Film eine sehr verletzliche Seite der Jenkins. Von Krankheit und Narben gezeichnet liegt sie im Bett und fragt sich selbst, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, hätte sie ihren ersten Ehemann nie getroffen. Mit Sicherheit wäre es das.

Florence Foster Jenkins mit Meryl Streep, Hugh Grant und Simon Helberg – ab Donnerstag, den 24. November in den Kinos.

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