#golden20s? Mit so einem Start ins neue Jahrzehnt hat wohl niemand gerechnet. Wie golden können die nächsten Jahre überhaupt noch werden? In den letzten Monaten wurde innerhalb der Bevölkerung viel über Grundbedürfnisse diskutiert. Was brauchen wir wirklich? Dabei ist aufgefallen, dass unsere Grundversorger*innen völlig unterbezahlt sind. Die erste grandiose Erkenntnis der #golden20s. Die Pandemie zwingt uns, umzudenken und das System zu hinterfragen. Sie führt uns die Verletzlichkeit der Gesellschaft vor Augen.
Medizinische Versorgung und Nahrungsmittelaufnahme gehören zu unseren lebensnotwendigen Grundbedürfnissen. Doch was macht das Leben lebenswert, wenn die Grundversorgung gesichert ist? Gehört die Kultur- und Musikszene sogar zu den menschlichen Grundbedürfnissen? Inwieweit sorgen neben Verkäufer*innen und Pflegekräften die Künstler*innen für unser Allgemeinbefinden?
Gesundheit ist komplex und vielschichtig. Die World Health Organisation – WHO definiert Gesundheit in ihrer Satzung als einen Zustand „[…] vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur [als] das Freisein von Krankheit oder Gebrechen.“ Gesundheit ist also ein dynamischer und konstruierter Prozess, der von verschiedenen Bereichen beeinflusst wird. Das seelische und soziale Wohlbefinden erreicht viele von uns durch oder mit Kultur. Ob bildende Kunst, Oper, Kino oder ein Popkonzert, definiert durch perfekte Ästhetik oder groteske Individualität, all diese kulturellen Schöpfungen können unsere Gesundheit positiv beeinflussen. Das fängt bei individuellem Stressabbau des Einzelnen an und reicht bis zu Identitätsstiftung durch politischen Aktivismus, beispielsweise in Form von Musik. Ob dies durch eine von Teodor Currentzis scharfkantig interpretierte Beethoven Sinfonie, ein Rammstein Konzert oder das kleine Indie Festival von nebenan hervorgerufen wird, ist in erster Linie nebensächlich. Das ist abhängig von der Sozialisation, bei der innere und äußere Einflussfaktoren von Bedeutung sind, hat aber den gleichen Effekt.
Kultur in all ihren Formen macht uns als Spezies einzigartig. Dabei wird ihr sogar abseits der aktuellen Situation zu wenig Bedeutung zugeschrieben. Kultur finanziert sich nicht von selbst und sie vermittelt sich auch nicht von selbst. Die Bildungspolitik ruft die Diskussion hervor, inwiefern Kultur überhaupt relevant ist. In der Schule muss zwischen Kunst und Musik gewählt werden, obwohl die Hirnforschung beide Fächer in Kombination für entwicklungsfördernd befindet. Es gibt kaum Musikunterricht, obwohl dieser wichtig für die allgemeine Lernentwicklung, Gruppendynamik und positive Hierarchien ist – um nur einige Beispiele zu nennen.
Der gesamte Kulturbereich, besonders die freischaffenden Künstler*innen befinden sich nun in einer Krise. Keine Auftritte bedeuten kein Einkommen. Bei Künstler*innen entsteht ein finanzieller Engpass, bei uns als Publikum eine emotionale Lücke. Es ist das Live-Erlebnis, das unmittelbar vom Menschen Geschaffene, in die Welt Herausgetragene, was uns berührt, uns erfüllt. Mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, an dem der Betrieb langsam wieder aufgenommen wird. Dank einer Studie der Berliner Charité wurden spezielle Corona-Bedingungen für den Orchesterbetrieb definiert. Die Wissenschaftler*innen pochen auf eine Wiederaufnahme des Betriebs gleichzeitig zu Industrie und Bildungseinrichtungen. Sie betonen dies nicht nur aus Perspektive der Künstler*innen, die ihren Beruf aus sozialmedizinischen Gründen wieder ausüben sollten, sondern heben auch den unverzichtbaren Nutzen von Kultur für die Gesellschaft hervor.
Die Pandemie sollte als Chance genutzt werden, das System neu zudenken. Mit Empathie und Individualität müssen wir füreinander Vorsorge betreiben. Anständige Arbeit muss anständig entlohnt werden. Kulturelles Wirken ist unabdingbar und muss endlich vollwertig akzeptiert werden. Wenn wir die Relevanz erkennen, dann besteht immer noch eine Chance auf #golden20s.