Salomea ist eine der Bands, die bei den 31. Jazztagen Dortmund im domicil auftreten. Neben viel Tiefe und Schmerz, die in ihren Songs stecken, liefern Salomea eine mitreißende Liveshow ab, bei der auch das Publikum in Bewegung kommt.
Im großen Saal des domicil sind heute keine Stühle aufgebaut – die braucht es auch nicht. Auf der Bühne steht schon alles bereit: Keyboard, Bass, Schlagzeug, Mikros und mehrere Synthesizer. Die Instrumente leuchten im Licht der Scheinwerfer und warten darauf gespielt zu werden. Immer mehr Leute trauen sich nah vor die Bühne.
Heute spielen Salomea. Sie sind eine der Bands und Solokünstler*innen, die bei den 31. Jazztagen Dortmund auftreten. Seit Ende Oktober sind sie auf Deutschlandtour – ihre Längste bisher. Vor dem Tourstart musste die Band noch bangen – der Vorverkauf lief nicht wie erhofft. Dann wurden sie aber von jedem Abend und der Energie der Leute positiv überrascht. Diejenigen, die sich ein Ticket gekauft haben, die hätten auch „so richtig Bock“. Das ist der Band sehr wichtig: „Wir spielen für jede einzelne Person, die da ist“, betont Rebekka – Sängerin und Namensgeberin der Band.
„Wir sind eine Familie“
Neben Rebekka Salomea Ziegler stehen noch Leif Berger an den Drums, Oliver Lutz am Bass und Yannis Anft am Keyboard auf der Bühne. Die Band existiert schon als Ersti-Band in der Uni. Damals noch mit dem Namen „Salomea Project“. Bis auf einen Tausch am Bass spielen sie seit zehn Jahren gemeinsam. Rebekka ist bewusst, dass sie „mit drei Boys“ auf der Bühne steht. Gerne würde sie noch mehr FLINTA* und People of Colour einbeziehen. Doch die gemeinsame Zeit und das damit verbundene Vertrauen der Band sei nicht austauschbar: „Wir sind eine Familie. Wir kennen uns in und auswendig und müssen viele Dinge gar nicht mehr erklären“, erzählt die 33-Jährige. Mit der Zeit wurde ihr immer bewusster, wie viel diese Loyalität und das Team-Gefühl bedeute. Die Harmonie zwischen den Musiker*innen zeigt sich auch auf der Bühne. Abwechselnd läuft Rebekka zu ihren Bandmitglieder, sie tanzen und gehen gemeinsam ab. Alle zeigen, was sie draufhaben. Nicht nur der Drummer geht in einem Solo richtig auf, auch der Keyboarder spielt mit dem Synthesizer und kreiert einen schrillen Sound, der an ein Saxophon erinnert.
Musik von klein auf
Ein Konzert von Salomea bedeutet nicht ruhig auf Stühlen sitzen und der Musik lauschen. Rebekka steht nicht einfach vor dem Mikrophon und singt. Sie ist die Bühne, spielt mit dem Publikum und bindet es in ihre Show ein. Animiert zum Klatschen, Schnipsen, Mitsingen. Am liebsten würde man selbst auf die Bühne springen und sich mit ihr zu den Beats bewegen. Es macht Laune zu tanzen, alles loszulassen, im Moment zu sein.
Rebekka ist Halbamerikanerin und wird schon in ihrer Kindheit musikalisch geprägt: „Ich bin mit Musicals aber gleichzeitig auch mit europäischer Musik aufgewachsen, weil meine Eltern beide klassische Musiker waren“, erzählt sie. Bei ihr zuhause liefen auch Bob Dylan, Joni Mitchell oder Billy Holiday. Inwieweit sich das in ihrer Musik zeigt, findet Rebekka „jeden Tag nochmal aufs Neue heraus“. Vor allem erkennt sie die Einflüsse aber in der Harmonik und den Farben ihrer Songs wieder. Aber auch ihre Liveshows hätten einen amerikanischen Einfluss: „Wie wild es zum Teil wird hat schon etwas von einer Art Super Bowl Halftime Show.“ Ansonsten finden „Einflüsse aus schwarzamerikanischer Musik, wie Jazz, RnB oder HipHop krass ihren Weg in meine Musik“, betont Rebekka. Heute wohnt sie in Köln. Dort hat sie auch ihr Studium in Jazz- und Popgesang absolviert – eine weitere Grundlage für ihren wachsenden Erfolg.
Neues Album „Good Life“
Auf der Bühne möchte sie Energien austauschen und ihren „Schmerz in Kunst transformieren“. In ihren Songs verarbeitet sie häufig persönliche Schicksalsschläge und zwischenmenschliche Beziehungen. So auch im neuesten Album „Good Life“, das die Band auf ihrer Tour präsentiert. Erschienen ist es Ende Oktober. Der Titel führt erst einmal in die Irre, denn um das „Gute Leben“ geht es auf den ersten Blick gar nicht. Rebekka selbst beschreibt es als „Auseinandersetzung und Transformation von Schmerz in Schönheit und Kunst.“ Alles stehe unter dem Stern „Utopie“, das erklärt den Titel des Albums schon eher. Alle Gefühle hätten eine Berechtigung und sollten nicht unterdrückt werden. Rebekka hat sich die Frage gestellt, wie man Wut oder Trauer Raum geben kann, um daraus Kraft und Energie zu schöpfen. „Das Album davor war sehr dunkel und sehr traurig, da habe ich auch viel Schmerz und Trauer verarbeitet und dieses Album sollte so das Licht und Hoffnung sein“, erklärt Rebekka. Im Song Obsessing singt sie beispielsweise darüber, wie es sich anfühlt von jemandem besessen zu sein und wie anstrengend es sein kann, dass man dennoch nicht ganz loslassen will. In Truth Is Queen, Kindness is King bringt sie die Unsicherheit einer Beziehung zum Ausdruck und fragt sich: „Will she stay or will she go“.
Genretechnisch legt sich die Band nicht fest. Von Urban Jazz-Einflüssen, Experimental Hip-Hop oder Contemporary vermischen sich einige Genres in ihrer Musik. „Wir haben alle individuelle Musikgeschmäcker und Hörgewohnheiten. Wir machen das, was wir vier zusammen wollen, Genres interessieren uns nicht“, sagt die Songwriterin.
Bei vielen Songs hält die Sängerin wunderschöne, lange Vocals und zeigt, was sie stimmlich draufhat. In anderen Momenten nimmt sie sich bewusst Zeit, schließt bei einem Song fast zwei Minuten die Augen. Sie breitet ihre Arme weit aus und lässt sie in fließenden Bewegungen zum Beat tanzen. Neben mehreren Synthesizern und einer Loop-Station setzt Rebekka weitere Klanginstrumente ein. Mal eine Rassel, mal ein Windspiel aus Metall. Mal eine Art Ball, der Geräusche wie fließendes Wasser ertönen lässt. Damit zieht sie die Zuhörenden in eine andere Sphäre. „Ich möchte einen Sound kreieren, den man nicht überall hören kann und der nicht glattgebügelt ist. Wo Raum für Experimente, Weirdness, Spielereien und so kleine Ear Candy ist“, erklärt die Sängerin.
Selbstermächtigung und Empowerment
Menschen mit ihrer Musik zu berühren ist die eine Sache für Rebekka. Die andere ist ihre eigene Heilung. „Musik ist für mich etwas megakörperliches. Ich will mich einfach nur bewegen, tanzen und den Bass im ganzen Körper spüren. Ich kann nicht anders als mich bewegen.“ Deshalb gebe es zwar eine emotionale Tiefe, aber auch ein in-Trance-setzen. „Diese zwei Aspekte liebe ich an Musik, das ist sehr schön!“, schwärmt Rebekka. Bei Liedern wie Karma’s A Bitch scheut sie sich nicht auch mal den Mittelfinger hochzuhalten und eine Zero-Fucks-Given Message an die Welt zu senden, wenn sie singt: „Had a curvy body but too curvy for that dance. But today thot sells I might start an only fans.“ Damit ihre Musik so empowern kann, musste Rebekka ihren eigenen Weg gehen: „Ich bin durch Phasen gegangen, wo ich mir selbst beweisen musste, dass ich das alles hinkriege.“ Heute versuche sie eine Balance zwischen Kontrollfreak und „sich um gar nichts kümmern“ zu halten. Sie habe eben gerne den Überblick. „Gleichzeitig finde ich das auch empowering. Ich habe das auch von zuhause gelernt, so starke weibliche Vorbilder. So wird es gemacht und in diese Fußstapfen trete ich jetzt.“
Website der Band Salomea: https://salomeaofficial.com/
©️Bilder: Teresa Gehrung Rodriguez