Wenn Andrei Ionita zu seinem Cellobogen greift und die ersten Töne erklingen, ist sofort klar, dass es sich bei dem 23-Jährigen um eine zukünftige Cello-Größe handelt. 2015 gewann er den 1. Preis des Tschaikowsky-Wettbewerbs in Moskau. Diesen Sommer spielte er das Dvorak Cello-Konzert h-moll bei den Salzburger Festspielen. Am 03. Dezember 2017 hatte er sein Debut in der Philharmonie Essen. Wir haben nach diesem Konzert mit ihm über musikvernarrte Deutsche, Lampenfieber und den Beruf als jungen Solo-Cellisten gesprochen.
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terzwerk: Das war heute Ihr Debut in der Philharmonie Essen. Wie hat Ihnen der Saal gefallen?
Ionita: Ich fand es sehr schön, dass ich schon in dem großen Saal spielen durfte. Meistens finden solche Matinee Konzerte in dem Kammermusiksaal statt.
Egal, ob der Saal jetzt ganz voll war oder nicht, fand ich es sehr angenehm in einem Saal mit so einer guten Akustik zu spielen. Das Publikum war auch ganz freundlich. Ich habe gespürt, es sehr aufmerksam zugehört hat, obwohl das Programm so modern war.
terzwerk: Ich habe mir Ihre Facebook-Seite mal ein bisschen genauer angeguckt. Sie sind generell viel unterwegs. Haben Sie favorisierte Konzertsäle, in denen Sie besonders gerne spielen?
Ionita: Ich habe immer noch sehr lebendige Erinnerungen an die Philharmonie in Sankt Petersburg. Dort hat auch das Finale des Tschaikowsky Wettbewerbs stattgefunden.
Ich liebe das rumänische Athenäum in Bukarest. Das ist so wie ein Tempel. Man spürt, wie das rumänische Herz dort klopft.
Aber auch im deutschsprachigem Raum spiele ich gerne in allen Großstädten. Man weiß, dass immer alles gut funktioniert und alles optimal organisiert ist. Es gibt außerdem zahlreiche verrückte Musikliebhaber hier in Deutschland. So viele habe ich nirgendwo anders getroffen. Deutschland atmet noch Musik und das bleibt hoffentlich auch so.
terzwerk: Lesen Sie nach einer Aufführung Kritiken?
Ionita: Naja, ich kann sagen, dass Kritiken nicht unwichtig sind. Natürlich muss man nicht immer alles 100 prozentig ernst nehmen. Man kann für das gleiche Konzert fantastische Berichte lesen und dazu dann gleichzeitig welche, wo man merkt, dass es dem Kritiker gar nicht gefallen hat. Man weiß dann gar nicht, bei welchem Konzert man eigentlich war. Was ganz wichtig für Kritiker ist, dass sie fair bleiben.
terzwerk: Was würden Sie sagen, macht den Beruf als Solo-Cellisten wirklich aus?
Ionita: Man muss erstens bereit sein, alles zu jeder Uhrzeit spielen zu können. Auch wenn man um 06 Uhr morgens einen Anruf bekommt, ob man spontan einspringen kann. Dafür ist unteranderem ein hohes Grundniveau notwendig, welches man sich im Studium erarbeiten muss.
Und was generell sehr wichtig ist – nicht nur für Solo-Cellisten, sondern für alle Solisten -, ist der psychische Aspekt. Man muss auf der Bühne ruhig bleiben können. Dabei geht es auch nicht unbedingt um Lampenfieber. Lampenfieber haben ja alle. Aber dieser persönliche Zustand auf der Bühne ist wesentlich: wie ruhig ist man, wie kann man sich kontrollieren.
Vielleicht ist das auch eine Art von Gabe, mit der man schon geboren ist.
terzwerk: War das schwierig für Sie?
Ionita: Ich bin sehr glücklich, dass ich niemals plötzlich Angst bekommen habe. Auf der Bühne habe ich mich immer wie zuhause gefühlt. Aber der Anfang war auch für mich schwierig. Mit Konzerterfahrungen und vor allem Wettbewerbserfahrungen – wie dem Tschaikowsky-Wettbewerb – habe ich jetzt gelernt, mich zu kontrollieren. Dann kann man problemlos auf alle Bühnen gehen.
terzwerk: Haben Sie musikalische Vorbilder?
Ionita: Oh, ja. Besonders als ich Teenager war habe ich immer Cellisten wie Daniil Borissowitsch Schafran oder Jaqueline du Pré immer gern zugehört. Steven Isserlis ist auch eins meiner besten Vorbilder. Mit dem habe ich die Möglichkeit gehabt, zusammen Kammermusik zu machen. Das war 2014 in der Kronberg Academy. Da haben wir Tschaikowskys „Souvenir de Florence“ gespielt. Diese Erinnerung halte ich immer noch sehr nah an meinem Herzen.
terzwerk: Haben Sie Wünsche, mit welchem Repertoire Sie sich in näherer Zukunft gerne besonders intensiv beschäftigen möchten?
Ionita: Bis jetzt habe ich auf der Bühne erst die Klassiker der Cello-Konzerte gespielt. Also Haydn, Tschaikowsky, Schumann, Dvorak und so weiter. Ich würde sehr gern Prokofjew öfter spielen. Das habe ich bisher nur einmal gespielt. Und dazu mehr rumänische Musik ins Licht bringen. Es gibt zwei Sonaten und eine Sinfonia Concertante von Enescu. Wenn ich das in der Zukunft selbst entscheiden dürfte, würde ich das gerne spielen.
terzwerk: Im Rückblick auf Ihre selbst noch so junge Karriere, welche Ratschläge können Sie heranwachsenden Künstlern geben, die auch diese Richtung einschlagen wollen?
Ionita: Erstens darf man sich nicht unter Druck setzten. Man muss niemand Anderem außer einem selbst beweisen, dass man wertvoll ist. Weder den Eltern, noch dem Lehrer. Zweitens muss man die Musik wirklich sehr lieben. Nur dann funktioniert ein Leben in der Kunst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Jahrzehnte weiterarbeiten könnte ohne Freude. Vielleicht geht das einfacher mit Buchhaltung, das macht nämlich meine Mutter (lacht).
Das Dritte ist einfach Hoffnung zu haben. Das ist sehr schwierig für junge Musiker. Und man muss natürlich lernen, schlau zu üben.