»Großes F« wie »Furz«
Die Tuba hat es nicht leicht. Sie ist das Instrument fürs Grobe, das Bass-Gegrummel im Orchester und wird angeblich mit pensionierten Posaunisten oder faulen Trompetern besetzt. Darf sie endlich mal ins musikalische Rampenlicht, dann nur fürs Ungeheure und Unschöne: Als Drache in Wagners »Siegfried« oder als ordinäre Flatulenz einer grob-monströsen Köchin in Sergej Prokofjews »Die Liebe zu den drei Orangen«. Dieser Furz wird mit einem ganzen Tuba-Solo-Motiv vertont, das auf dem »großen F« beginnt.
Ein Furz in der Oper? Ungewöhnlich, jedenfalls auf der Bühne. Prokofjew nimmt mit »Die Liebe zu den drei Orangen« die Gattung Oper aufs Korn – indem er klischeehafte Charaktere auftreten lässt und eine obskure Handlung um sie spinnt. Um den Furz entwickelt sich eine bizarre Märchengeschichte: Ein Prinz verliebt sich wegen eines Fluchs in drei Orangen. Voller Sehnsucht macht er sich mithilfe eines Narrens auf die Suche nach ihnen – und findet sie in einem Zauberschloss, bewacht von einer garstigen Köchin.
»Ordinär, laut, trocken.«
So beschriebt der Tubist Andreas Martin Hofmeir, der sich die Rehabilitation des Tuba-Image zur Aufgabe gemacht hat, den perfekten Tuba-Furz in einem Interview. Die Köchin – in diesem Fall von einem »rauen Bass« gesungen – betritt die Küche mit einer überdimensionalen Suppenkelle in der Hand, brüllt ungehalten nach den Eindringlingen und lässt dann ihr Gas strömen. Im ersten Teil des Motivs staut die Köchin ihren Darmwind an, um ihn dann mit zwei kräftigen, akzentuierten Schlägen herauszublasen.
Köchin-Szene bis 01:16:29. Regie: Richard Jones (1989)
Sarkasmus gegen Schablonen
Am Ende der Köchin-Szene kann der Narr die Köchin mit einem Zauberband ablenken, in das sich das monströse Frauenzimmer sofort verliebt. Das Tuba-Solo ist vorbei: Die Flöte löst sie ab und illustriert ein sanft-kitschiges, pastorales Thema. Eine enorm groteske Situation, mit der sich Prokofjew sarkastisch über das Opernschaffen und ihre schablonenhaften Charaktere lustig macht. Eine doppelte Ironie, dass er gerade die verschmähte Tuba an dieser Stelle besetzt.
Das große »Aber«
Eine schön-obszöne Geschichte. Dennoch: Weder im Libretto noch in der Partitur ist festgelegt, dass es sich bei den akzentuierten Schlägen um einen Furz handelt. Die Legende der furzenden Köchin scheint aus der Regietradition entstanden zu sein. Aber wieso auch nicht? Das »große F« ist ein großartiger Furz.