Traumatisiert in jungen Jahren. Das Hip-Hop-Theaterstück The Broke ‘N‘ Beat Collective erzählt Geschichten von Jugendlichen, die schlimme Dinge erlebt haben. Wie schaffen sie es, nicht daran zu zerbrechen? Ein Beatboxer, ein Breakdancer, eine Sängerin und ein Puppenspieler zeigen bei der Ruhrtriennale 2017, wie man trotz allem die Hoffnung nicht verliert. Ida Hermes hat mit den Regisseuren Sue Buckmaster und Keith Saha, der Sängerin Elektric und dem Beatboxer Hobbit gesprochen.
terzwerk: The Broke ‘N‘ Beat Collective erzählt die Geschichten von Jugendlichen, die in einem problematischen Umfeld aufwachsen. Warum findet ihr dieses Thema wichtig?
Keith Saha: Ich bin künstlerischer Leiter von 20 Stories High, einem Jugendtheater aus Liverpool. In den letzten zehn Jahren habe ich also fast ausschließlich mit jungen Leuten zusammengearbeitet. Mit ihren Geschichten und Erlebnissen standen sie stets im Mittelpunkt unserer Produktionen. Denn es wirkt sich direkt auf die Probenarbeit aus, wenn der junge Schauspieler oder Musiker schlimme Dinge erlebt hat. Wir waren also sehr nah dabei und haben versucht, den Jugendlichen darüber hinwegzuhelfen. Sue kommt vom Kindertheater Theatre Rites, und dort ist es ähnlich. Als feststand, dass unsere beiden Theater für ein Stück kooperieren würden, war das unser gemeinsamer Nenner.
terzwerk: Alle Geschichten und Charaktere im Theaterstück basieren also auf wahren Begebenheiten?
Hobbit: Ja. Wir haben nicht jede Geschichte am eigenen Leib erlebt. Aber für jeden Charakter im Stück gab es eine reale Vorlage. Mindestens einer von uns hat immer den Menschen kennengelernt, der solche Dinge durchlitten hat. So kommen wir nicht als außenstehende Besserwisser daher, die sagen: Hey Leute, wir erzählen euch, wie ihr euer Leben wieder in den Griff bekommt. So ist es ganz und gar nicht. Wir haben den Jugendlichen zugehört und versucht, ihnen zu helfen. Uns wurde klar: Es ist möglich, selbst über die schlimmsten Erlebnisse hinwegzukommen. Im Theaterstück möchten wir diesen Enthusiasmus weitergeben, in dem wir die Erfahrungen der Jugendlichen für alle erlebbar machen.
Elektric: Ja, und wir heroisieren uns als Künstler nicht. Wir tun nicht so, als wären es unsere eigenen Geschichten. Es geht uns auch nicht darum, nur die Geschichten zu erzählen. Wir möchten den Persönlichkeiten dieser Menschen Raum geben, sich anderen Menschen anzuvertrauen und mitzuteilen.
Hobbit: Das Stück sollte ausdrucksstark sein und die Menschen berühren. Zugleich wollten wir die Jugendlichen, die uns als Vorlagen gedient haben, aber nicht als Opfer bloßstellen oder so. Es hat uns also mehr als alles andere geholfen, dass einige von ihnen unsere Proben besucht haben. Sie konnten uns korrigieren, wenn wir etwas nicht richtig dargestellt haben.
terzwerk: Ihr lasst die Jugendlichen in Form von Puppen auch selbst auf der Bühne auftreten und sprechen. Warum?
Sue Buckmaster: Klar, Puppenspiel scheint zunächst einmal was für Kinder zu sein. Aber was Puppen wirklich gut können, ist, Dinge auf einer metaphorischen Ebene zu zeigen. Sie sind wie visuelle Poesie. Manche Geschichten sind lustig, aber einige sind auch dunkel und bedrückend. Das Puppenspiel baut ein wenig Distanz auf. Macht es leichter erträglich ohne zu verharmlosen.
terzwerk: Puppenspiel, Beatboxing, Breakdance, Rap… das ist auch musikalisch eine sehr außergewöhnliche Mischung.
Elektric: Stimmt. Aber es ist sehr ausgeglichen und balanciert. Wir haben die Kunstformen nicht einfach zusammen in einen Topf geschmissen und geschaut, was dabei rauskommt. Hobbit gestaltet natürlich die ganze Rhythmus- und Geräuschkulisse. Aber alles, was wir tun, ist auf die jeweilige Geschichte abgestimmt.
terzwerk: Kanntet ihr euch vorher schon?
Hobbit: Nein. Es gab ein Casting, da wurden, Elektric, Ryan, Mohsen und ich ausgesucht. Von Anfang an hatten wir aber eines gemeinsam: die Begeisterung für Musik. Wir haben uns zu Jam Sessions getroffen und durch Improvisation sind nach und nach unsere Songs entstanden.
terzwerk: Wie haben eure Zuschauer reagiert?
Elisha: Wir haben sehr positive Rückmeldungen bekommen. Das Stück ist unglaublich ausdrucksstark, lustig und bewegend. Und voller Hoffnung. Es öffnet Räume, gerade für Jugendliche im Publikum, die vielleicht Ähnliches erlebt haben. Sie trauen sich oft nicht, sich Gehör zu verschaffen. Glauben, dass andere nicht verstehen würden, was sie erlebt haben. Nach den Vorstellungen haben wir einige Male erlebt, dass sie Mut fassen und mit uns oder anderen Menschen darüber reden. Das ist toll!