Am 16. April erschien das dritte Studioalbum von London Grammar. Es ist die perfekte musikalische Begleitung für eine abenteuerliche Wanderung in die eigene Gefühlswelt. terzwerk-Autorin Eugenia Karnolska hat für euch mal reingehört.
Hannah Reid, Dominic „Dot“ Major und Dan Rothman sind in ihrem dritten Album viel selbstbewusster, ehrlicher und gesellschaftskritischer. Das Trio aus Nottingham besteht dabei nicht mehr nur aus jungen Teenagern, die uns in ihren Liebeskummer und Herzschmerz eintauchen lassen wollen. Sie verarbeiten vielmehr ein gemeinsames Abenteuer. Dazu gehört: Ihre Tätigkeit in der Musikbranche, die eigenen Erlebnisse hinter der Bühne, aber auch die gemeinsame Weiterentwicklung zu unabhängigen Künstler*innen und Erwachsenen.
Trotzdem verschwimmen die Grenzen zwischen „jung“ und „alt“ in ihrer Musik auch mal ineinander, so auch im Titelsong des Albums Californian Soil, in dem der Text besagt: “I am young, I am old. And so you do what you’re told“. Genau das zeigt die enorme Entwicklung zwischen ihrem Debütalbum If You Wait und dem neu erschienen dritten Album. Sie thematisieren die Problematik der heutigen Gesellschaft, in der niemand mehr etwas hinterfragt und alles ausgeführt wird, was von einem verlangt wird. London Grammar fordern den Ausbruch aus den starren Mustern und der Wortlosigkeit unserer Generation. Im Musikvideo sehen wir an dieser Stelle auch bildlich den Zusammenfall der Kulisse und somit die Entlassung der Menschen in die Freiheit.
Die Botschaft
Der letzte Song des Albums mit dem Titel America trägt ebenfalls eine besonders starke politische Message. Vielleicht ein indirekter Bezug zur umstrittenen Politik Trumps? Die Band scheint dieses Mysterium greifbar machen zu wollen, weshalb sich folgende Aussagen heraushören lassen:
“And I hope that you’re better than all of your friends
I hope that they hold you until the end
You can have America
But she never had a home for me
And I hope that you find it, all that you need
I hope that you stay young and wild and free.”
(London Grammar – America)
Mit diesem Song wollen London Grammar zum mutig sein, zur freien Meinungsäußerung und zum Weitermachen animieren. Ihr Appell: Habt die Kraft besser zu sein und habt deshalb kein schlechtes Gewissen, denn Ihr müsst nicht jedem gefallen! Das Lied erinnert auch teilweise an den Bürgerrechtler Martin Luther King, der sowohl Politik als auch Menschenrechte innerhalb der USA beeinflusst hat. Er hat die Menschen aufgefordert, für sich selbst einzustehen, sich Ungerechtigkeiten zu widersetzen, und sie ermutigt dabei die Hoffnung niemals zu verlieren. Im Song How does it feel gehen London Grammar sogar noch eine Ebene weiter und fordern uns auf, Gefühle zuzulassen und aus der Vergangenheit zu lernen. Der Songtext handelt hierbei eher von einer Trennung, alten Fehlern und die Einsamkeit, die damit verbunden sein kann.
Einzigartige Klanglandschaft
London Grammar‘s unverkennbarer Sound unterstützt diesen Eindruck. Charakteristisch für Ihren Stil ist einerseits die Mischung aus einer treibenden, mystischen und andererseits aus einer schwermütigen und melancholischen Musik. Sie setzen auf eine atmosphärische Gestaltung ihrer Songs, die sich aus einer Verbindung von Dream-, Indie- und Alternative-Pop mit Trip Hop- und Electronica-Elementen zusammensetzen.
Im gesamten Album pendeln sie zwischen handgemachten Klängen und elektronischen Passagen. Die Musik fließt über Balladen und Ensembleklängen hin zu tanzbaren Beats und rockigen Elementen. Das Album beginnt mit einem Glockenintro, geht über zu einem rein vokalen Einstieg ohne Text und gipfelt in einem Gesamtkunstwerk aus verschiedensten Stilen und Statements. Jeder Song aus dem Album begeistert vor allem durch die rhythmische Abwechslung von langsamen und schnelleren Beats.
Ihre Musik ist vom ersten Ton an fesselnd und nimmt den*die Hörer*in sinnbildlich auf eine Wanderung durch die eigene Gefühlswelt mit. Die Band erschafft eine endlos wirkende, traumhaft schöne und unglaublich weite Klanglandschaft. Dieser Gesamteindruck wird durch die klare und hypnotisierende Stimme von Hannah Reid perfektioniert. Sie weiß ganz genau, wann sie sich zurücknehmen muss und wann sie ihren Gefühlen Raum und Stimmkraft geben kann.
Es ist ein klarer roter Faden erkennbar, denn die Titel Californian Soil und America bilden den Rahmen für ein ausdrucksstarkes, politisch-kritisches Album, in dem sich jede*r Zuhörer*in angesprochen fühlen kann und soll.
Die Bandmitglieder genießen ihre künstlerische und musikalische Freiheit, weil sie nicht viel brauchen, um gute Musik zu machen. Sie bleiben sich einfach treu und haben keine Angst vor Veränderungen.