Schon die Prinzen haben 1983 in ihrem Hit „Alles nur geklaut“ ein wesentliches Prinzip der Popmusikindustrie festgehalten. Viele Künstler machen dabei auch keinen Halt vor berühmten Werken der klassischen Musik. Dieses Mixtape hat sie alle: die kuriosesten und schönsten Klassikplagiate der Popmusikgeschichte. Vorsicht: es besteht akute Wiedererkennungsgefahr!
Wohl eines der bekanntesten klassischen Werke, das der Popmusikindustrie zum Opfer fiel, ist Bachs Orchestersuite No. 3 in D, besser bekannt als „Air auf der G-Saite“. Die britische Band Procol Harum schrieb 1967 den Song „A whiter shade of pale“ (dt. „Ein heller Blasston“) und orientierte sich dabei stark an Bachs Suite. Zu hören ist dies vor allem in der Basslinie. In welchem Maße die Band tatsächlich eins zu eins bei Bach abgekupfert hat, ist musikwissenschaftlich in der letzten Zeit immer wieder höchst umstritten. So veröffentlichte der britische Musikwissenschaftler Allan Moore im April 2018 einen Beitrag auf dem Radiosender BBC 4, in dem er die bisherigen Annahmen – Procol Harum hätten Bachs „Air auf der G-Saite“ nur nachgeahmt – vehement zurückwies.
Vom Frontman der Band Jethro Tull, Ian Anderson, weiß man dagegen ganz sicher, dass er sich an einem Stück von Bach bedient hat. Die Idee zu seinem Song „Bourée“ kam ihm 1969 in einer Altbauwohnung in London. Unter ihm wohnte ein Musikstudent, der immer wieder Bachs Suite für Laute in e-Moll übte. Anderson, der erst gar nichts davon gewusst haben wollte, dass das Stück von Bach ist, spielte die Melodie auf seiner Querflöte nach und bastelte daraus einen eigenen Song. Erst später klärte ihn dann ein Freund auf, welche berühmte Melodie die Grundlage für seine „Bourée“ darstellt. Daraufhin führte der Künstler Bach als Komponisten seines Songs auf.
Weniger versöhnlich zeigten sich die Nachkommen Rachmaninows gegenüber dem US-amerikanischen Künstler Eric Carmen. In seinem 1975 geschriebenen Song „All by myself“ verwendete er als Melodie das Klarinettensolo aus Rachmaninows 2. Klavierkonzert, 2. Satz: Adagio sostenuto. Die Erben Rachmaninows brachten Carmen kurzerhand wegen des Plagiats vor Gericht. Mit Erfolg: der Künstler musste 12% der Tantiemen an die Erben zahlen.
Zu den Künstlern, die offen zugeben, dass sie sich die ein oder andere Melodie bei klassischen Komponisten abschauen, zählen die Pet Shop Boys. In einem Interview zu ihrem 2009 erschienen Album „Yes“ erklärten sie zum Song „All over the world“, dass er „mit ein bisschen Hilfe von Tschaikowsky“ geschrieben sei. Konkret geht es dabei um den Marsch der Zinnsoldaten aus dem Nussknacker.
Emerson, Lake & Palmer haben sich 1971 nicht nur von einer Melodie inspirieren lassen, sondern nach der Vorlage von Modest Mussorgskys Werk „Bilder einer Ausstellung“ ein ganzes Album aufgenommen. Neben der bloßen Interpretation von Mussorgskys Stücken stehen aber auch eigene Kompositionen der Band, wie z.B. „The Sage“.
Kurz vor einem Gerichtsverfahren stand 2018 auch die US-amerikanische Rockband „The White Stripes“ mit ihrem Song „Seven Nation Army“, der vielen aus den Fußballstadien bekannt sein dürfte. Sie befanden sich in einem Streit mit der Eurovision Song Contest Siegerin von 2018, Netta, die in ihrem Song „Toy“ angeblich den Rhythmus aus dem White Stripes-Song übernommen haben soll. Man einigte sich schließlich außergerichtlich. Was die Rockband allerdings unterschlug: „Seven Nation Army“ weist bereits Parallelen zu einem berühmten Werk der Klassik auf. Nämlich zu Bruckners 5. Sinfonie, 4. Satz: Finale Adagio – Allegro molto (Tipp: ab 00:58 min ist es gut zu hören!).
„Bach ist für mich Anfang und Ende aller Musik…“ – Max Reger
Auch die britsche Rockband Muse kann ihren klassischen Einfluss nicht verleugnen. Einer ihrer bekanntesten Hits „Plug in Baby“ (2001) basiert auf Bachs berühmter Toccata und Fuge in d-moll. Besonders deutlich wird dies bei den mitreißenden Gitarrenriffs (etwa ab 01:12 min.). Aber sogar um Bachs Toccata mehren sich in den letzten Jahren Zweifel an der Urheberschaft, daher beginnt und endet dieses Mixtape mit genau diesem Komponisten.
Beitragsbild: Sherlock Holmes Detektiv Fahnder / Hebi B. / Pixabay
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Foto Ian Anderson: © Brian Marks / flickr.com / CC BY 2.0