In der Schule mussten wir immer Erörterungen schreiben. Man sollte zum Beispiel Stellung beziehen zu der Frage, ob die Klassenfahrt lieber nach Mailand oder Berlin gehen und ob sich dafür Busfahrt oder Billigflug besonders eignen würden. Irgendwie war uns allen klar, dass die Klassenfahrt sowieso nie stattfinden würde – dennoch lernten wir in diesem mühsamen »Pro und Contra« die Faustregel erfolgreicher Manipulation: Kenne deinen Feind!
Wenn wir uns also nun auf eine kleine Exkursion durch die Welt des Musikjournalismus im Internet begeben, möchte ich zunächst klarstellen, dass dem Leser auf terzwerk.de eine ganze Menge entgeht. Wir sind nur ein kleines unbeugsames Dorf im Medienimperium. So manche Rundfunkanstalt hat schon allein zur Freischaltung eines Tweets mehr Mitarbeiter und Faxgeräte als unsere gesamte Fakultät – da können wir nicht mithalten. Erstmal.
An anderer Stelle scheitern wir schlichtweg an der eigenen Ignoranz. Das Web 3.0 öffnet die Türen zu Partizipation und Barrierefreiheit, zu Schwarmintelligenz und Shared Happiness. Der Terzwerk-Elfenbeinturm hat diese Türen vorsorglich mit dicken Balken des Hochmuts versiegelt – wir glauben nämlich, wir wissen alles besser.
Es entgeht uns dadurch manch lebhafte Diskussion mit dem Leser, wie sie etwa im tamino Klassik-Forum gepflegt wird. Auf jede noch so unverständliche Frage wird dort eine Antwort gefunden, die Hilfsbereitschaft der Mitglieder geht so weit, sogar pausenlos Antworten auf Fragen zu geben, die gar nicht gestellt wurden. Wer wissen möchte, wo er die Gräber seiner Lieblingskomponisten finden kann, oder über die Bedeutung des Affen in der Musik sinnieren möchte, wird hier schnell fündig.
Bester medialer Gastgeber ist aber ungeschlagen livekritik.de. Die Seite ist eine Art gesamtkulturelles Raclette-Pfännchen – jeder User schmeißt seine Erlebnisse als Zutat hinein und würzt noch mit etwas Meinung. Im Sinne einer sozialen Gemeinschaft wird dabei nicht allzu genau unter die üppige Käse-Schicht geschaut – Theater-Tomaten und Konzert-Kartoffeln schmoren in warmer Gutmütigkeit nebeneinander her – jede Kritik ist willkommen.
Und wo wir gerade beim gehaltvollen Inhalt sind, wagen wir noch einen schnellen Abstecher zu Musik mit allem und viel scharf. Hier gibt es allerlei Fundstücken aus der Netz- und Kulturgemeinde sowie einige bemerkenswerte Ansätze der Musikvermittlung:
»Es heisst doch immer wieder, man müsste die Jugendlichen da abholen, wo sie sind… Und nein, das ist nicht ›auf der Straße‹. Das ist heute vielmehr bei youporn.com. Dass das bisher kein Orchesterpädagoge erkannt und genutzt hat!«
– dem ist wenig hinzuzufügen, außer vielleicht der zugehörige Link-Tipp:
»Satirisches Fast-Food« wäre vielleicht eine gute Zusammenfassung – der Content ist deftig, schnell und lecker. Aber zu viel davon hinterlässt ein ungesundes Gefühl in der Magengrube.
Kommen wir also langsam wieder zu etwas mehr intellektueller Tiefe, zum provisorischen Museums-Besuch auf unserer Klassenfahrt. Auch hier gab es früher immer eine Faustregel: je älter die Exponate, desto wichtiger die Ausstellung. Das folgende Angebot besticht nicht nur durch selbstlose Schlichtheit, sondern auch durch langjährige Erfahrung: das Online-Musik-Magazin. Man munkelt, die Kuratoren seien bereits einen Tag vor der Erfindung des Internet online gegangen – Indizien dafür bietet nicht zuletzt das Schreibmaschinen-ähnliche Design (Terz-Werk-Internet-Experten vermuten echte Handarbeit aus Kaiser Wilhelms Zeiten!). Ehrfürchtig steht man hier vor dem unter einer dicken Staubschicht verborgenen Wissensreichtum abertausender Opern-Kritiken, saugt die Atmosphäre in sich auf und plant schonmal heimlich das nächste Event.
Und im World Wide Web kann man Dank bachtrack sogar international die Angebotslage checken. Die Seite bietet in einem großen Rezensions-Fundus die Möglichkeit, die 3240. Tosca-Inszenierung in der Metropolitan-Opera mit der 3584. in London vergleichen – und das alles völlig gratis, um nicht zu sagen umsonst! Denn bei bachtrack ist die Liebe zur Musik, nicht die Geldgier überbezahlter Musikkritiker ausschlaggebendes Kriterium – angemessene Qualität sichert dabei das hippe Design (coole Sternchen-Bewertungen unter Kritiken und bewegliche Bildergalerien!!!). Benutzerspezifisch kann man sich auch direkt Termine (Oper, Tanz, Schauspiel, Vorträge) in der eigenen Region suchen – und selbst wenn man kaum welche findet, ist die interaktive Suchfunktion eine lustiger Zeitvertreib!
Als letzte Lösung bleibt für die Abendgestaltung ja schließlich noch der gute alte Fernseher – bzw das Streaming der Lieblingsfolge im Internet. Und da ein echter Klassik-Fan sich Schwertergeklirre und Drachengebrüll natürlich nicht bei Game of Thrones, sondern bei Richard Wagner ansehen will, sollte zu guter Letzt medici.tv Erwähnung finden. Hier werden Opern- und Konzertaufführungen weltweit zum Streaming angeboten, teilweise sogar kostenlos.
Normalerweise müsste an dieser Stelle ein Resümee stehen, also eine Art Reisebericht über die schönsten Entdeckungen und Sehenswürdigkeiten unserer Reise. Aber mal ehrlich, welche Erlebnisse sind es denn, die einem am Ende einer Exkursion gewöhnlich in Erinnerung bleiben? Der Museums-Besuch? Das gute Essen? Die Fachdiskussion? Nein. Was in Erinnerung bleibt sind die Erlebnisse mit der Gruppe, vom Unfug im Klassenbus bis zum heimlichen Saufgelage auf dem Hotelzimmer. Und das liegt gar nicht an der Banalität dieser Vorkommnisse – es liegt an der explosiven Leidenschaft und Emotion, die nur in diesen Momenten zur vollen Entfaltung kam. terzwerk.de ist so ein Klassenbus mit jeder Menge Hochprozentigem im Gepäck. Vielleicht wird es hier manchmal etwas holprig und laut, der ein oder andere wird auch mal die Nase rümpfen – langweilig aber soll es niemals werden.