Komponist Gerald Resch liebt tänzerische Rhythmen, farbenreiche Klänge und lustige Geschichten. Am Sonntag, 21. Mai ist die Uraufführung seiner Familienoper Gullivers Reise am Theater Dortmund. Ida Hermes hat mit ihm über seine Komposition gesprochen.
terzwerk: Gullivers Reise ist eine Familienoper. Wie lässt sich realisieren, dass sie sowohl für Kinder als auch für Erwachsene interessant ist?
Gerald Resch: Das Großartige am Musiktheater ist, dass es auf so vielen Ebenen funktioniert. Einerseits soll das Stück ganz klar der Unterhaltung dienen und das Publikum zum Lachen bringen. Das Bühnenbild ist ein kindgerechtes und lustiges, und bietet so einige technische Tricks. Andererseits kann man die Geschichte auch aus einem anderen Blickwinkel erzählen: Ein junger Mann, der als Fremdling an eine Insel gespült wird, wo er niemanden kennt. Das Volk dieser Insel ist sich uneins: Soll man ihn aufnehmen, ihm eine Chance geben? Oder ihn abschieben, seinem Schicksal überlassen, gar erschießen? Es ist letztendlich eine Flüchtlingsgeschichte, die auf der Bühne gut ausgeht.
terzwerk: Wie setzen Sie das musikalisch um?
Resch: Für mich ist das erste Gebot immer: Du sollst nicht langweilen. Das Stück besteht aus 40 Nummern, die alle fließend ineinander übergehen. Das Atemlose, das sich dadurch einstellt, war mir sehr wichtig. Es geht Schlag auf Schlag und die Musik verändert sich oft ruckartig mit dem szenischen Geschehen. Da bleibt wenig Raum für Langeweile. Das großartige Libretto von John von Düffel hat mir in musikalischer Hinsicht vieles erleichtert. Die Verse sind durchgängig etwa gleich lang und gereimt. So lag es nahe, tanzartige rhythmische Strukturen zu schaffen. Als ich dieses Grundgerüst im Ohr hatte, tauchten wie von selbst kleine Leitmotive auf: Va – ni – li – put, zum Beispiel. Die kleine Phrase singt Gulliver immer, wenn er Vaniliput anspricht. Einige dieser Melodien klingen die ganze Zeit über im Verborgenen weiter. Daraus leite ich viele harmonische Konstellationen ab. Zudem verwende ich viele Zitate: das Wiegenlied von Brahms, aber auch Seefahrer-Shanties und Piratenmusik, zum Beispiel. Diese Wiedererkennungsfaktoren richten sich wahrscheinlich mehr an das erwachsene Publikum.
terzwerk: Wer ist Vaniliput?
Resch: Das ist ein junges Mädchen, das sich für Gulliver einsetzt. Das Volk von Liliput, das durch den Chor repräsentiert wird, hat große Angst und will Gulliver erstmal loswerden. Vaniliput ist sehr intelligent und hat einen vernünftigeren Blick darauf. Sie beobachtet gut und ist nüchterner in den Schlüssen, die sie zieht.
terzwerk: Welche anderen Rollen gibt es?
Resch: Vaniliput hat eine Kontrahentin: die Prinzessin Rosalila. Die ist eine Art „Hello-Kitty-Tussi“, die ihren Vater um den Finger wickelt und Schmuck und schöne Kleider liebt. Da treffen also zwei unterschiedliche Konzepte vom Mädchensein aufeinander. Ein weiteres Gegenspieler-Paar sind der König von Liliput und sein Kriegsminister Skyresch. Der König ist ziemlich lethargisch und gutmütig. Doch Skyresch träumt davon, Gulliver endlich zu töten und treibt seine Hinrichtung voran. Zwei kleinere Rollen sind der stets betrunkene Besuffliput und der Kammerherr des Königs. Der hat eine Mehrfachrolle zu besetzen: Er ist zugleich Mundschenk und Finanzminister und wechselt dazu seine Hüte. Das liegt daran, dass die Monarchie in Liliput aus dem letzten Loch pfeift und dementsprechend mehrere Ämter auf eine Person übertragen werden.
terzwerk: Wie setzen Sie die Stimmen musikalisch ein?
Resch: Der Dirigent Ingo Martin Stadtmüller und ich haben ziemlich früh entschieden, dass wir die Stimmen nicht elektronisch verstärken wollen. Das ist gleichzeitig eine ästhetische Entscheidung: Gegen die Musical-Stimmbehandlung, die heute manchmal in Opern übernommen wird. Ich setze weitestgehend auf eine gut singbare, klassische Linienführung der Stimmen. Ferner ist mir die Textverständlichkeit sehr wichtig. Ich instrumentiere gerne bunt und farbig, doch der Grundklang der Musik muss dabei schlank bleiben. Die Sänger sollen sich wohl fühlen und ein natürlicher Klang gewahrt werden.
terzwerk: Die Orchester-Besetzung ist ja auch sehr klassisch.
Resch: Es ist natürlich toll, mit einem Haus dieser Größe zusammenarbeiten zu dürfen. Das bringt aber mit sich, dass nicht immer alle Dinge so realisierbar sind, wie man sie ursprünglich geplant hatte. Zum Beispiel habe ich eine Bassklarinette vorgesehen, doch aus organisatorischen Gründen musste ich davon Abstand nehmen. Anstatt dessen gibt es jetzt ein sehr schönes Altsaxophon-Solo im Königs-Kummer-Lied. Eine andere Idee war, ein Akkordeon und ein Drumset einzubinden, doch die Mehrkosten waren zu hoch.
terzwerk: Aber Sie sind trotzdem zufrieden mit der Besetzung?
Resch: Auf jeden Fall. Es ist schon eine Wunderküche, so ein Orchester. Und mit einer Standardbesetzung kann man eigentlich alles machen. Es gibt unglaublich viele Klangverschmelzungen, die man auch ohne zusätzliche Instrumente erzielen kann. Im Schlagwerk haben wir zudem eine Windmaschine und eine Reihe von Klingeln, Rasseln und Ähnlichem, was die Klangsprache sehr bunt hält. Ich bin auch sehr zufrieden mit der Qualität des Orchesters. Meine Musik ist vor allem rhythmisch elastisch und vital, man muss auf den Punkt spielen, um die Tempo- und Taktwechsel zu erwischen. Doch mein Gefühl sagt mir: Das wird eine richtig schöne Sache.