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Altersstarrsinn? –
Über ein paar Takte Mozart bei Harnoncourt
Groß und unbestreitbar sind also die Verdienste des Grafen Harnoncourt um die Sache der Vergegenwärtigung älterer Musik, und tief berechtigt der Respekt, mit dem ihm die Reporterin Julia Spinola bei einer die neuesten Mozartaufnahmen des großen Mannes flankierenden Homestory für das Magazin FonoForum begegnet, auch wenn das Orakel zum Tee vor allem Gemeinplätzchen reichte. Immerhin: dass Mozarts letzte drei Symphonien als Einheit, ja als ein »Instrumental-Oratorium« zu verstehen seien, was man schon daran erkenne, dass der Beginn der g-moll-Symphonie so famos direkt an die Schlussschläge von Nr. 39 anschließe, darüber ließe sich diskutieren – man muss es aber überhaupt nicht so hören und vielmehr so, dass da auf der CD zwischen den Tracks eine Pause fehlt. Aber die letzte Wahrheit ist das Autograph, zu dem das Orakel privilegierten Zugang hat, und da kann man es bestimmt irgendwie sehen. Man wird neugierig, wie neu die alte Jupiter bei soviel ad-fontes-Kompetenz und Einmal-Noch!-Pathos klingen mag: Leider furchtbar. Für den schlimm verhallten Cinemascope-Grandioso-Sound können weder Dirigent noch Concentus musicus was. Die drei Initialschläge sollen wohl den Anbruch des Weltgerichts verkünden, die 5/8 Pause danach ist aber genau um den Moment überdehnt, an dem der musikalische Zusammenhang bricht. Ist es nur schlechte Hörgewohnheit, das widersinnig zu finden? Und wo mag stehen, dass die folgende Entwicklung wie gelähmt gespielt werden soll? Wie müde klingen die Abwärtsläufe der Flöten und Oboen, wie starr, ja stur die Tutti-Schläge zuvor? So gelähmt kann es doch nicht gemeint sein, denkt man, aber wenn das Mozartorakel es eben so macht, offenbar gegen den Impuls seines Concentus selbst, dann doch wohl mit guten Gründen. Das Verstreuen von Ausrufezeichen über den Text bekommt der Musik schlecht, und überhaupt scheint aufstampfendes Rechthabenwollen gerade der Mozartmusik nicht zu stehen, die Ihre Schwebekräfte ja vor allem daraus gewinnt, dass sie eher klingt wie ein ‚So könnte es sein‘, weniger: so ist es! Und ein stures ‚Nur so darf es sein!‘ nimmt sie übel. Irrte hier Harnoncourt? Mozart?
Nur ein paar Takte, doch die Sache betrifft nicht allein eine misslungene Stelle, sondern ein Problem des Repertoires des Immergleichen bei den großen Alten, aber auch bei den jungen Wilden: dass man es anders machen zu müssen meint, und notfalls mit Gewalt. Einmal noch! Es regiert, im Spielen und im Reden darüber, die laute Ökonomie der Aufmerksamkeit, Mozart eher nicht.