Happy Birthday to us!

Auch wenn ein 30-jähriges Jubiläum durchaus ein Grund zum Feiern ist: Vor dem Konzert hatten die Musiker des Bundesjugendjazzorchesters wahrscheinlich nicht damit gerechnet, sich direkt nach dem ersten Song mit Geburtstagsgesängen auseinandersetzen zu müssen. „Spielt mal einen C7-Akkord“, kommt die Ansage von Jiggs Whigham, der aktuell zusammen mit Niels Klein das Orchester leitet. Einige verwirrte Blicke später stimmt er an: „Happy Birthday to us, Happy Birthday to us…“. Das Publikum tut es ihm gleich, die Rhythmusgruppe setzt ebenfalls ein. Diese Geburtagslorbeeren hat sich das Orchester definitiv verdient.

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Dass die Band um Jiggs Whigham und Niels Klein sehr talentiert ist, ist schon bei den Proben für das Konzert am Sonntag bemerkbar. Für ein zweistündiges Konzertprogramm sind gerade einmal zwei Probentage anberaumt wurden. Pro Programmhälfte ein paar Stunden – das reicht aus. Nicht umsonst eilt dem Orchester ein beinahe legendärer Ruf voraus. Hier spielen die besten Jungjazzer Deutschlands, da muss die Probe gar nicht länger ausfallen.
Im Interview verrät Whigham, dass bei längerer Probenzeit ansonsten auch die Gefahr bestünde, die Stücke tot zu proben und dass weniger manchmal wirklich mehr sei. „Es wird dann langweilig für die Musiker. Und alltäglich. Man muss intensiv proben und genau auf den Punkt. Mit Pausen sind wir insgesamt vier Stunden hier gewesen.“
In diesen vier Stunden wurde unter anderem das furiose Inner Urge von Joe Henderson einstudiert, welches mit bombastischem Big-Band-Sound auch das Konzert in der Philharmonie eröffnete. Ganz anders klingt The shadow of your smile, das als fünfstimmiger Vokaltitel  mit Latinrhythmus besticht, in dem sich die einzelnen Gesangslinien glockenartig übereinanderschichten. Hier können die Sänger des Ensembles glänzen. Auch wenn der Sound in der Philharmonie bei den ersten beiden Stück noch etwas dumpf und blechern erscheint, machen die scharfen Trompetenakzente, die melodischen Saxophon-und Gesangsläufe und die punktgenauen Dynamikwechsel Lust auf das, was da noch kommen soll.

Als besonderer Gast betritt Randy Brecker bereits beim dritten Stück die Bühne. Anlässlich des Jubiläums hat das Bujazzo das Programm zum Großteil mit Stücken gespickt, an deren Entstehung der Jazztrompeter beteiligt war. Doch nicht nur das Jubiläum lockte den Musiker nach Köln. Jiggs Whigham und er kennen sich schon lange – „Zusammen sind wir fast 150 Jahre alt“, scherzt Whigham während des Konzerts.
Die Geschichte, wie sie sich damals 1966 in Wien bei einem Jazzwettbewerb zum ersten Mal getroffen haben, erzählen sie beide. Randy Brecker beim Konzert, Jiggs Whigham bei den Proben. „Wir haben uns bestimmt schon gute 25 Jahre nicht mehr gesehen und nicht mehr miteinander gesprochen. Jeder geht seinen eigenen Weg, dann kommt man zusammen und trennt sich wieder. Trotzdem sind wir wie Brüder.“ Diese Verbindung, die Whigham beschreibt, ist unverkennbar, wenn die beiden sich ansehen und auf der Bühne Handschläge und Umarmungen austauschen.

Dieser lockere Umgang miteinander ist auch bei den Konzertvorbereitungen spürbar. Randy Brecker kam aus den USA ins Flugzeug nach Köln, dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Probe. Ein Handschlag mit Jiggs, dann die Trompete auspacken und mitspielen. Als wäre er selbst Mitglied im Bujazzo – von Starallüren oder Stress keine Spur.
Hektik versprüht bei den Proben sowieso niemand, obwohl es doch für die im Januar neu formierte Band eigentlich eine große Sache sein müsste, solch ein besonderes Programm zu spielen.
Doch die richtigen Noten sind gar nicht das Wichtigste. Im Mittelpunkt steht immer nur die Musik und die Emotionen, mit denen sie gespielt wird. Das wird auch Jiggs Whigham nicht müde zu betonen: „Das, was wir spielen, ist immer eine Mischung aus dem, was in den Noten steht, und Musik.“ Nur mit einer eigenen Interpretation kann man aus Noten auch Musik machen. „Es gibt mittlerweile abertausende Aufnahmen von Beethovens 5. Sinfonie. Und alle klingen verschieden. Was heißt forte, was heißt piano? Was ist überhaupt eine Viertelnote? Es gibt eine Beethoven-Viertelnote, eine von Mozart.“ Interpretation ist einfach alles. Auch im Jazz.

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Und die Band kann interpretieren. Nicht nur Titel von den Brecker Brothers, wie das melancholische Levitate, das  psychedelische Vibratopassagen und eine träumerische Melodie zum Vorschein bringt.  Auch den Up-Tempo-Swing in Freefall und den kernigen Funk in Strap-Hangin‘ beherrscht die junge Band ausnahmslos. Gerade die zweite Programmhälfte zeigt unter der Leitung von Niels Klein andere Klangfacetten der Band. Das von Klein geschriebene Sky Lift orientiert sich an einer Science-Fiction-Geschichte aus den 50ern und malt musikalische Bilder von Raketenstarts und Weltraumreisen. Die Musik ist weitaus technischer, beinahe mechanisch. Das wird noch durch ein freies Baritonsaxophonsolo und die komplexe Komposition verstärkt.
Auch das groovende Hochgeschwindigkeitsstück Some Skunk Funk darf am Ende nicht fehlen. Niels Klein greift selbst zum Tenorsaxophon und improvisiert zusammen mit Randy Brecker um die Wette. Ein gelungener Abschluss für ein jubiläumswürdiges Konzert. Auf die nächsten 30 Jahre!

Fotocredits: 

Beitragsbild und Bilder des Bundesjazzorchesters: Thomas Kölsch, Deutscher Musikrat

Hintergrundbild: Paul Littich

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