Foto: Florence Grandidier
Liebes Tagebuch,
Bachs h-moll Messe und der Balthasar-Neumann Chor – das ist ein Match made in Heaven :) Ein Abend mit viel Gänsehaut, der trotzdem nicht vom Hocker riss…
Holla die Waldfee! 2 Stunden auswendig singen, das hab ich auch noch nie gesehen! Wenn ich heute Abend eines mitgenommen habe, dann dass man vom Balthasar-Neumann-Chor immer uneingeschränkte Perfektion und absolute Harmonie erwarten kann. Reinste Intonation und höchste Präzision in jeder noch so wendigen Koloratur – was für ein toller Chor!
Schon beim allerersten »Kyrie« überkam mich eine wohlige Gänsehaut. Es ist aber auch wirklich zu lange her, dass ich einen so guten Chor singen gehört habe. Solche Schmankerl sind im Konzerthaus Dortmund leider eher selten auf dem Programm. Das mag auch daran liegen, dass die meiste Chormusik trotz der tollen Akustik des Konzerthaus doch besser in eine Kirche passt – dem sakralen Charakter der Musik angemessen eben.
Das hat man auch heute Abend gemerkt. Der h-Moll Messe fehlte Spiritualität und klang im Allgemeinen eher wie von CD abgespielt, als nach einer professionellen Live-Darbietung, die den Eintritt wert ist. Das mag zum Großteil am Ausfall von Dirigent Thomas Hengelbrock gelegen haben. Als Schöpfer und musikalischer Leiter von Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble atmet die barocke Musik mit ihm – und bekommt wohl auch Schluckauf, wenn der Großmeister mit Grippe im Bett liegt. Seinem Ersatz, dem schwedischen Dirigenten Olof Boman, gebührt zwar Applaus für den schnellen Einsprung in das schwere Werk – er wirkte aber eher reserviert und dirigierte mit emotionsloser Gleichmäßigkeit.
Auch die Solisten aus dem Chor überzeugten mit Souveränität, haben die großen Emotionen der berührenden Messe aber nur unzureichend rüberbringen können. Das wunderbar vielschichtige Duett »Et in unum Dominum« für Sopran- und Alt-Solist klang eher wie zwei Alleingänge, als ein harmonisches Zusammenspiel. Dabei sieht man schon den Noten an, dass Bach von zwei verschmelzenden Stimmen geträumt hat.
Aber ganz ohne Überraschungen ging der Abend dann doch nicht vorbei. So blieb dem Publikum bei der wunderschönen Arie des »Agnus Dei«, gesungen von Alex Potter, die Luft weg. Ergreifend schön sang der junge britische Countertenor und brachte jeden einzelnen Ton zum Strahlen. Und auch das barocke Orchester entfaltete in bestimmten Momenten seine ganz spezielle Wirkung, wie z.B. bei „Et in spiritum sanctum“ wo die Holzbläser in den Vordergrund treten und ihren besonderen Klang und filigrane Wendigkeit unter Beweis stellen können.
Fazit: Eine Wohltat für die Ohren, aber kein Konzert, das vom Hocker riss. Beim nächsten Abend mit dem Balthasar-Neumann-Chor aber auf jeden Fall wieder dabei! Chormusik der Extraklasse!