Jazziges Farbenspektakel

Wie klingen Farben? Es ist eine Frage, die Musiker bereits seit Jahrhunderten beschäftigt und immer wieder als Inspiration für neue Werke dient. Die Antwort von Jazzpianist Volker Engelberth ist sein im September 2017 erschienenes Album „Prismatic Colours“.

Foto: Sven Götz
Foto: Sven Götz

Bereits das Cover des Albums verrät einiges über dessen Konzeption: Zu sehen ist der prismatische Kreis von Moses Harris aus dem 17. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um einen Farbkreis mit den Grundfarben rot, gelb und blau. Ihre Verschmelzung ergibt alle Zwischentöne, sodass ein gleichmäßiger Farbverlauf entsteht.

Engelberth nimmt darauf Bezug, indem er sein Album als dreiteilige Suite strukturiert, deren Abschnitte nach den Grundfarben benannt sind. Jeder dieser Abschnitte ist wieder in drei weitere Teile unterteilt, die den Mischfarben auf Harris’ prismatischem Kreis entsprechen. Auf diese Weise weckt Engelberth eine klare Hörerwartung: Die Suite lockt mit einer bruchlosen musikalischen Reise von warmen zu kalten Klangfarben im Stil eines modernen europäischen Jazz. Während diese Hörerwartung nicht enttäuscht wird, überrascht Engelberth auch durch seinen musikalischen Einfallsreichtum.

Auf seine Reise begibt er sich nicht allein, sondern im Quintett zusammen mit Bastian Stein (Trompete und Flügelhorn), Alexander ‘Sandi‘ Kuhn (Tenorsaxophon), Arne Huber (Bass) und Silvio Morger (Schlagzeug). Die erfahrenen Jazzmusiker erschaffen im intensiven Zusammenspiel weite, weiche Klangflächen, die in ständiger Bewegung immer neue musikalische Ideen in den Vordergrund rücken. Manchmal dominiert ein fließendes Klaviermotiv, manchmal eine sanfte Saxophonmelodie. Jeder Instrumentalist bekommt in der sensiblen Interaktion die Gelegenheit, seine musikalische Handschrift zu hinterlassen, ohne dabei die Einheit des Ensembleklangs zu beeinträchtigen.

Mischfarben mit starker Dynamik

Stellenweise weicht Engelberth jedoch von seiner Ausgangsidee, einer sich kontinuierlich weiterentwickelnden Musik, ab und entscheidet sich für bewusste Zäsuren. Einem lebendigen und bewegten orange-gelb folgt so beispielsweise ein in sich ruhendes, geglättetes gelb. Mischfarben mit stärkerer Dynamik und sich überlappenden Motiven werden dementsprechend den ausgewogenen und statischeren Grundfarben entgegengesetzt.

Trotz dieser interessanten Einschnitte erweckt „Prismatic Colours“ an manchen Stellen den Eindruck von Wohlfühl-Jazz. Die meisten melodischen, harmonischen und rhythmischen Ideen bewegen sich innerhalb eines eingegrenzten Bereichs, sodass der Hörer seine Komfortzone selten verlassen muss. Wer also ein wildes Jazz Abenteuer erwartet, wird von „Prismatic Colours“ eher enttäuscht sein.

Tatsächlich besteht der Einfallsreichtum des Komponisten nicht darin, den Hörer mit experimentellen Klängen zu konfrontieren, sondern ihn im Rahmen des musikalisch Vertrauten durch lebendige Dialoge der Instrumentalisten und spannende Motivarbeit zu begeistern.

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