Traum Tipps von Wagner und Co.

Träume faszinieren uns. Sie inspirieren uns, können uns alles möglich machen oder uns sogar verängstigen. Als fester Bestandteil des Schlafens sind Träume eine Erfahrung, die jeder von uns individuell erlebt. Daher verwundert es nicht, dass sich Komponist*innen schon vor hunderten Jahren mit ihnen beschäftigten und ihnen Werke, wie beispielsweise Liszts „Liebesträume“ oder Schumanns „Träumerei“, gewidmet sind.

Auch Musik ist etwas, das uns auf besondere individuelle Art beeinflusst und mit dem jeder eine eigene Wertung verbindet. Aber unterscheiden sich die Träume von Musiker*innen von denen der Nichtmusiker*innen? Wie sollten wir mit Träumen umgehen? Können wir Träume vielleicht sogar musikalisch nutzen?

Träume und ihre Deutung

In der Antike und im Mittelalter waren die Menschen genauso fasziniert von Träumen wie wir heute. Zu dieser Zeit waren Träume sogar von entscheidender Bedeutung für das Schicksal einer Person. Daher war es nicht unüblich, dass Herrscher Traumdeuter in ihrer Anhängerschaft hatten, von denen sie Prophezeiungen anhand ihrer Träume erwarteten.

Der Beruf des Traumdeuters ist heute kein essentieller Bestandteil der Gesellschaft mehr, in der Medizin ist es allerdings immer noch ein Mittel zur Diagnostik. Zum Beispiel betrachtet die Psychoanalyse, deren Hauptvertreter Sigmund Freud war, Träume als Ausdruck von unbewussten Konflikten. Bemerkenswert ist, dass Freuds Werk „Traumdeutung“ von 1900 zunächst wenig Erfolg hatte. Es entwickelte sich aber mit der Zeit zum Weltbestseller und zeigt somit die Relevanz dieses Themas. Der Psychoanalytiker und Hochschullehrer für Sozialmedizin mit dem Schwerpunkt auf Musikergesundheit Prof. Dr. Helmut Möller setzt die Besprechung von Träumen mit seinen Patient*innen gezielt ein. Vor allem wendet er dieses Vorgehen bei Musiker*innen an, welche von organischen Ursachen für ihre Beschwerden ausgehen. Auf diese Weise wird ein psychomentaler Aspekt in die Untersuchung aufgenommen, der z.B. in Fällen von psychischen Problemen durch Stress oder Ähnlichem erfolgreich zur Diagnose beitragen kann.

Warum träumen wir?

Nach Möller gibt es für die Gründe von Träumen drei Hypothesen. Diese beschreiben den Zusammenhang von Träumen und dem Wacherleben, also alles was wir außerhalb des Schlafens erleben.

Zunächst gibt es die Kontinuitätshypothese, welche besagt, dass aktuelle Ereignisse im Traum verarbeitet werden. Diese sind emotional bedeutsam wie beispielsweise ein künstlerischer Auftritt. Es gibt zudem die Komplementärhypothese, nach welcher im Traum Dinge geschehen, die im Wacherleben nicht in diesem Ausmaß stattfinden können. Welcher Musiker hat nicht schon einmal von einem virtuosen Auftritt geträumt? Die letzte Hypothese bietet einen sehr nüchternen Blick auf Träume, die als Zufallsprodukte des Schlafens bezeichnet werden.

Träume sind somit ein mentaler Prozess, bei welchem wir Ereignisse verarbeiten oder besondere Dinge tun, aber man sollte bei ihrer Deutung ein wenig nüchtern bleiben.

Träumen Musiker*innen anders?

Nach einer Studie von Valeria Uga an der Universität Florenz beinhalten Träume von Musiker*innen im Vergleich zu Nichtmusiker*innen doppelt so häufig Musik. Außerdem ist beobachtet worden, dass Musiker*innen, die beim Prozess des Erlernens eines neuen Stückes von diesem geträumt haben, eine präzisere Trefferquote der richtigen Töne erreichen. Es bietet sich also an, bei frustrierenden Stücken vielleicht einfach mal eine Nacht darüber zu schlafen.

Ein besonders interessanter Aspekt von Träumen ist, dass Musiker*innen bzw. Komponist*innen im Traum Ideen zum Komponieren bekommen können. Das berühmteste Beispiel ist wohl Paul McCartney. Ihm fiel die Melodie zu „Yesterday“ im Schlaf ein und er schrieb sie beim Aufwachen sofort auf. Zunächst dachte er jedoch, es handle sich um Kryptomnesie. Erst nachdem er wochenlang verschiedene Produzenten nach der Melodie gefragt hatte, schrieb er den Welthit.

Solche Fälle gab es aber auch schon früher in der Musikgeschichte. Einer der bekannten Fälle ist z.B. der italienische Komponist Giuseppe Tartini. 1713 träumte er, dass er einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sei. Dieser stand ihm im Traum zu Diensten, weshalb Tartini ihm seine Geige anbot und der Teufel eine außerordentliche Sonate spielte. Tartini war davon so ergriffen, dass er aufwachte und versuchte, einen Teil der Sonate zu spielen. Dies gelang ihm jedoch nicht. Neben Tartini haben auch Beethoven und Berlioz solche Erfahrungen gemacht. Den beiden ist es jedoch gelungen, sich an die im Traum gehörten Stücke zu erinnern und aufzuschreiben. Ein weiterer Fall solcher Inspirationen durch Träume ist Wagners „Rheingold“. Wagner war sich allerdings bewusst, dass bestimmte Träume besonderes Potenzial zur Inspiration haben.

Die etwas anderen Träume

Was sich Wagner zunutze gemacht hat, nennt man seit dem 19. Jh. Hypnagogie. Dies ist der Bewusstseinszustand, welcher beim Übergang vom Wacherleben zum Schlaf vorherrscht. Dabei können visuelle und auditive Halluzinationen auftreten, zu denen auch die Schlafparalyse und luzide Träume zählen. Dieser Übergangszustand ist grundsätzlich ein fließender Prozess, bei dem sich Gedanken ungezielt aneinanderreihen.

Auch heute gibt es Komponist*innen, die mittels luzider Träume komponieren. Die Sounddesignerin Andrea Chang bietet dazu interessante Einblicke. Sie träumt seit ihrer Kindheit Regelmäßig luzide Träume und berichtet über deren Einfluss auf ihre Kompositionsarbeit. „Hope for Tomorrow“ ist ein Beispiel für einer ihrer Songs, der auf diese Weise entstanden ist.

Das Erstaunliche an solchen luziden Träumen ist, dass man sie aktiv mitgestalten kann. Luzide Träume hat jeder Mensch. Das Problem ist jedoch, dass das Bewusstsein realisieren muss, dass man träumt. Es gibt verschiedene Techniken, dies zu trainieren.

Am wichtigsten ist das Führen eines Traumtagebuches. Durch das sofortige Aufschreiben des Traums nach dem Aufwachen wird unser Gehirn darauf trainiert, sich an Träume zu erinnern. Außerdem gibt es sogenannte Reality Checks, welche uns helfen zu realisieren, dass wir träumen. Wer den Film „Inception“ kennt, denkt hier wahrscheinblich an den Kreisel, der nicht aufhört sich zu drehen. Aber auch diese Methode ist ganz individuell. Man kann auch seine Finger zählen oder auf Details achten, z.B. ob das Schlüsselloch auf der richtigen Seite ist.

Um gezielt luzide Träume herbeizuführen, kann man sich auch einen Wecker innerhalb einer Schlafphase zu stellen. Die Idee dahinter ist, dass man aus einer Tiefschlafphase geweckt wird und realisiert, dass man geträumt hat. Anschließend sollte man versuchen wieder einzuschlafen und laut sagen, dass man jetzt einen luziden Traum haben wird. Man könnte das auch mit Hypnose vergleichen. Beim erneuten Übergang vom Wacherleben zum Schlaf soll das Bewusstsein besser in der Lage sein, Träume zu erkennen. Das Erlernen des luziden Träumens bedarf allerdings einiges an Übung.

Musik kann also auch in unseren Träumen eine große Rolle spielen. Die Forschung hat zwar Träume und besondere Phänomene wie luzide Träume noch nicht ganz entschlüsselt, aber das macht es umso spannender, es selbst auszuprobieren. Ich möchte nur aus eigener Erfahrung von der Verwendung der letzten Methode zum luziden Träumen außerhalb der Semesterferien abraten.

Bildcredits

Beitragsbild: Nadi Lindsay von pexels

Bild 1: Javardh von unsplash

Bild 2: Ylanite Koppens von pexels

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